Nach Publikationen von Hartmut Butzert und Rolf Badenhausen.
 
 
 

Die Stadtgeschichte von Dorsten

Frühzeit bis Mittelalter
Belagerung  von  1641

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Die allerersten Zivilisationsspuren wurden bei Sölten gefunden, einer Siedlung nördlich von Dorsten-Holsterhausen. Hier fanden Altertumsforscher 16 Urnen aus der Jungsteinzeit inmitten eines etwa 4200 m2 großen Bestattungsfeldes mit 124 Urnen aus der Bronzezeit.

Der römische Heerführer Lollius scheiterte um 16 v. chr. mit einem Feldzug gegen die an der Lippe und auch im Dorstener Raum siedelnden Sugambrer, deren linksrheinische Plünderungszüge mit einer Strafexpedition von Drusus (12 v. Chr) beantwortet wurden. Nach der Deportation der Sugambrer unter seinem Bruder Tiberius (7 v. Chr.) drängten westlich ziehende Brukterer in das Dorstener Lippegebiet. Noch im letzten Jahrzehnt vor dem Jahr Null ließ das römische Oberkommando über die Germania magna für zwei Legionen nördlich der Lippe – auf heutigem Holsterhausener Gebiet – ein wiederholt ausgebautes Lager errichten.

Rund zwei tausend Jahre später sollte die Victoria (Replika einer römischen Segel- und Rudergaleere) die Lippestadt mit ihrem ehemaligen Holsterhausener Römerlager passieren. Der damalige Stellenwert dieses Stützpunktes lässt sich sich nach gegenwärtigen archäologischen Erkenntnissen durch mindestens elf aufeinanderfolgende und sich teils überschneidende Anlagen belegen. Somit dürfte diese Militärbasis für nahezu jeden vom Niederrhein in (ost-)lippisches Gebiet gestarteten Römerzug in Anspruch genommen worden sein. Römerschifffahrt mit großen Frachtkähnen wurde wohl auch hier zur Versorgung der imperialen lippischen Lager und Stützpunkte betrieben.
 
Weitere Beiträge auf www.badenhausen.net, die das Holsterhausener Römerlager erwähnen:

Rolf Badenhausen: Zum "Arbeitskreis Römer und Germanen in Westfalen, 2009."
Rolf Badenhausen: Kalkriese und Arminiusschlacht.

Um das Jahr 500 bildet sich die Siedlung Durstinon südlich der Lippe.

Der Ort Dursten, wahrscheinlich in karolingischem Besitz der Familie des Maiores Domus, wird in einer Schenkung der Plectrudis († um 725) genannt.

Vor 890 gehen einige Güter, die teils auf Dorstener teils auf Gahlener Gebiet lagen, durch Schenkung einer Athalgard an die Abtei Werden.

Im Jahr 1017 wird die urkundliche Erwähnung Lembecks in einer Schenkungsurkunde des Kaisers Heinrich II an die Paderborner Kirche gegeben.

Entweder 1032 oder 1050 wird der Oberhof Durstinon durch Regimoud (auch Richmout, Embza, Ermeza) dem St. Viktorstift Xanten geschenkt. Um 1150 erfolgt die erste Namensnennung Holsterhausens im Heberegister der Abtei Werden.

Die urkundliche Erwähnung des Dapifer (Truchsess) Albert von Wulfheim wird 1173 verzeichnet. Zu dieser Zeit wird der Herr von Westerholt Erbvogt über 9 Reichshöfe der Grafschaft Recklinghausen.

Im Jahr 1176 wird die erste Kirche in dem zum Oberhof ernannten Gräftenhof erbaut, etwa 500 m westlich der Altstadt am Schölzbach. Der Gräftenhof war seit dem 11. Jahrhundert mit seinen Unterhöfen Besitz des Stifts Xanten.

Der Pfarrort Hervest wird 1188 im Güterverzeichnis des Grafen Dale genannt.

Die erste urkundliche Erwähnung der Pfarre von Lembeck im Jahr1217.

Erzbischof Engelberg I von Köln entzieht 1225 oder drei Jahre später dem Stift Xanten die Gerichtsbarkeit über die villa Durstensis, aber nicht des Oberhofs.

Im Jahr 1251 wird Dorsten durch Konrad von Hochstaden, dem Erzbischof von Köln, feierlich zur Stadt erhoben.
 

Was beinhaltete die Verleihung der Stadtrechte?
 

  • Freiheit der Bürger: Sobald jemand 1 Jahr und 1 Tag innerhalb von Dorsten gewohnt hatte, war er freier Bürger, also nicht mehr hörig.
  • Das Recht der eigenen Verwaltung: Handhabung von Sicherheit und Ordnung innerhalb der Stadt, Wahl von eigenen Gemeindebeamten.
  • Erweiterung der Befugnisse des eigenen Gerichtswesens.
  • Das Recht der Stadt und der Bürger, Eigentum und Vermögen zu erwerben.
  • Das Recht der Stadt, Märkte abzuhalten.
  • Das Recht der Bürger, die bestehende Ordnung durch Waffengebrauch aufrechtzuerhalten.
  • Das Recht, Stadtmauern zu errichten.

  • Wir nehmen an, dass die erste Mauer, die die kleine Siedlung Villa Durstine schützen sollte, schnell errichtet wurde und wahrscheinlich aus einer besseren Palisade bestanden haben muss. Wie hoch die Sicherheit intra muros gewertet wurde, bewieß die Entwicklung der Einwohnerzahlen in den folgenden Jahren.

    Nachdem der Markgraf von Kleve Dorsten im Jahr 1301 eingenommen hatte, die Stadtmauern schleifen ließ, danach aber die Stadt wieder freigegeben musste, erhielten die Dorstener 1306 vom damaligen Kaiser Albrecht ausdrücklich die Erlaubnis, die Stadtmauer wieder zu errichten, ihr Umfang entspricht der Lage des heutigen Ost-, Süd- und Westwalls.

    Im Jahr 1322 wird die Lippe Grenze zwischen Oberstift Münster und dem späteren Vest Recklinghausen.

    Die Grafen von Lembeck erhalten 1324 die Gerichtsbarkeit über die Kirchspiele der späteren Herrlichkeit.

    Im Jahr 1331 wird der Hof zu Rode (Rhade) genannt.

    Auf das Jahr 1337 soll sich die früheste Erwähnung einer Dorstener Schule beziehen (nach U. Drecker).

    Die erstmalige urkundliche Erwähnung des Vests Recklinghausen fällt auf das Jahr1341.

    1360: Bau der Magdalenenkapelle außerhalb der Stadt.

    Die Fehde mit den Herren des Münsterlands wird 1382 ausgetragen. Am 23. Dezember findet die Siegesfeier über die Herren von Merveldt mit Einrichtung der "Strytvyr" statt.

    1398: Erwerb des averlippischen Zehnten nördlich der Lippe.

    Kauf der Güter Barlo (mit einigen Unterhöfen, Kornmühle und Fischerei) und Schwicking im Jahr 1400 sowie von 16 Gütern des Kirchspiels Hervest im Jahr1415.

    1432 wird das "Liber Statutorum" (Wegetarif) angelegt.

    Im Jahr 1443 erfolgt die Abtrennung von Holsterhausen aus dem Kirchspiel Hervest und der Bau der Antoniuskirche in Holsterhausen.

    1444 bis 1449: Soester Fehde.

    Das Vest Recklinghausen wird von 1446 bis 1576 durch Kurfürst Graf Dietrich von Moers an die Herren von Gemen verpfändet!

    Die Pest tritt 1459 in Dorsten auf.

    Die Herrlichkeit Lembeck (Lembeck, Wulfen, Hervest, Holsterhausen, Altschermbeck, Erle) wird erstmalig im Jahr 1467 erwähnt.

    Die Franziskaner gründen ihr Dorstener Kloster im Jahr 1488.

    Der Freistuhl zu Deuten wird 1493 als zur Freigrafschaft der Herren zu Raesfeld gehörig erwähnt.

    1499: Erstmalige Nennung von Steinkohle im "Liber Statutorum".

    Lembeck geht 1526 an Bernhard von Westerholt, da die männliche Linie der Lembecker ausfällt.

    1567 erfolgt der Bau des Stadtwaage-Hauses (von 1797 bis 1902 Rathaus).

    Kurfürst Erzbischof Salentin von Isenburg löst 1576 mit 17000 Goldgulden das Vest Recklinghausen aus der Pfandherrschaft der Herren von Gemen.

    Verfassung und Gerichtswesen werden 1577 durch den Salentinischen Rezess (26.8.1577) neu geordnet, gültig bis zum Reichsdeputationshauptschluß 1803.

    In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts machten sich jedoch die Religionswirren durch die kurkölnischen Kriege bemerkbar, mit denen eine Epoche begann, die Dorsten von einer wohlhabenden Handelsstadt in den Status einer ausgebluteten, total verarmten und ruinierten Stadt herabstürzen ließen.
    Es dauerte bis zur Säkularisation und der wenig später erfolgenden Unterstellung unter die preußische Verwaltung, bis Dorsten sich allmählich von den furchtbaren Drangsalen der kriegerischen Auseinandersetzungen erholen konnte.
     

    Die ersten Kriegswirren

    Erste Ausläufer der Religionskriege erreichten Dorsten im März 1584:
    Gebhard II, Truchsess zu Waldburg, zum Protestantismus abgefallener Erzbischof von Köln, rückte auf Dorsten zu, nachdem er schon Buer in Brand gesteckt hatte. Glücklicherweise kam den bedrängten Dorstenern Herzog Ferdinand von Bayern, ein Bruder des nachgefolgten Erzbischofs zu Köln, zur Hilfe und vereitelte eine Einnahme von Dorsten.
    Im Dezember 1585 und im März 1586 wurde Dorsten durch den in Gebhards Diensten stehenden Oberst Martin Schenk bedroht.
    Zwei Jahre später, am 28. Februar 1588, kam es zu der dramatischen Situation, als Philipp von Oberstein, ein Gefolgsmann Gebhard des II, um Mitternacht Dorsten um ein Haar erobert hätte. Die Siegesfanfare tönte schon und die Angreifer hätten Dorsten eingenommen, wären da nicht die Dorstener Frauen gewesen, die, ihr gräßliches Schicksal vor Augen, mit kochendem Wasser, siedendem Öl, Bienenkörben, Mistgabeln und Steinen verzweifelt um ihr und ihrer Kinder Leben kämpften und die feindlichen Horden in die Flucht schlugen. Die hierzu überlieferte Rede des Pfarrers Jakob Theodard Sartorius:
    ...Während die Feinde eindrangen, erwuchs bei Euren verheirateten und unverheirateten Frauen ein Heldenmut in einem Ausmaß, wie er niemals angemessen gewürdigt werden kann. Mögen da die Historiker die Römerinnen, die Saguntinerinnen, die Amazonen und Frauen sonstiger Völker rühmen, deren Namen wegen ihrer heldenhaften Taten der Nachwelt überliefert sind, Eurer Frauen Mut, sofern er diese nicht übertrifft, kommt ihnen wenigstens zu vollem Recht gleich.
        Als nämlich der Feind die ersten beiden stark befestigten Tore und das voll bewehrte Bollwerk in tiefster Nacht mit äußerster Angriffswut besetzt hatte, und sich zu dem einzigen Tor, das in die Stadt führt, durchgekämpft hatte, und als der Feind unter höchstem Einsatz sich daranmachte, dieses Tor aufzubrechen und mit seinen Rammböcken zu zerstören, als das mit einem Gitter versehene Tor schon aufgegeben worden war und etliche von den Feinden umzingelt waren, und als Ihr schon am äußeren Tor, welches Ihr durch Euren Ausfall selbst dem Feind geöffnet hattet und dadurch ihm den Weg zum Eindringen in die Stadt geebnet hattet, damit beschäftigt wart, ihm durch Mist und andere Mittel den Weg wieder zu versperren, da sind Eure Frauen da, den fürchterlichen Ausgang vor Augen, und den ihrer Männer, ihrer Kinder, da werfen sie Steine, kochendes Wasser und Öl auf die Köpfe der dicht gedrängten Feinde.
    Als die Feinde die Hitze des kochenden Wassers zu spüren bekamen und die Glut des brennenden Öls nicht mehr aushalten konnten, hörten sie zunächst irritiert auf, das Tor aufzubrechen, bis sie durch überall brennendes Öl und durch auf sie niederprasselnde Steinbrocken gezwungen wurden, zurückweichen und Tore und Bollwerk wieder freizugeben...

    Es folgen weitere Versuche, Dorsten einzunehmen, im spanisch - niederländischen Krieg (1581 - 1609) werden Truppen beider Parteien einquartiert.

    1590 sah sich die Stadt schwer bedroht durch holländische Regimenter, die sich auf die Eroberung von Dorsten vorbereiteten. Zwischenzeitlich war aber vom Vest eine Kontributionssumme bezahlt worden, so dass die Holländer wieder abzogen.

    Am 27. April1595 kamen wieder die Holländer, die am 24. Juli 1595 auf Befehl des Prinzen von Oranien die Lippebrücke zerstörten. Am gleichen Tag zog der in spanischen Diensten stehende Oberst Graf von Berg an Dorsten vorbei.

    Am 23. November 1598 belagerte der spanische Artillerie-Oberst Francisco de Velasco die Stadt, die nach zweitägiger Beschießung freiwillig ihre Tore öffnete und seinen 1300 Mann starken Truppen bis zum 15. April 1599 Quartier und Verpflegung leisten musste.

    Am 14. April 1600 kamen wieder die Holländer, die von Neuem die Brücke zerstörten.

    Im August 1605 besetzte nochmals Graf von Berg die Stadt. 1609 kam es zwischen den kriegsführenden Parteien zu einem 12-jährigen Waffenstillstand.

    Nach dem Waffenstillstand (1609) im spanisch - niederländischen Krieg, der auf 12 Jahre vereinbart ist, hofft man auf Frieden, auf Sicherheit.

    Mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges häuften sich die Einquartierungen kaiserlicher Truppen, die immer mit einem hohen Aufwand an materiellen Leistungen verbunden sind. Die Stadt verschuldet sich abgrundtief, die in früheren Jahrhunderten erworbenen Grundstücke mussten verkauft werden.
    Marodierende Truppen machten das Land unsicher. Die Landbevölkerung wurde auf das Schlimmste drangsaliert, ausgebeutet, ermordet, geschändet. Sofern sich die Gelegenheit erbot, rächte sie sich erbarmungslos.

    1622 quartierte sich der "Tolle Christian", Herzog von Braunschweig, ein, der u.a. die Schlacht im Lohner Bruch bei Stadtlohn 1623 gegen Tilly verlor.

    1625 nahm der Oberst der katholischen Liga Otto Ludwig Blanckardt mit zwei Kompanien Quartier.

    1629/30 lag Oberst Dietrich Othmar von Erwitte mit einem Teil seines Reiterregiments in Dorsten.
     

    Die Festung Dorsten
     

    1633 steht Dorsten unter der militärischen Kommandantur des kurkölnischen Hauptmanns Wolfarth, dem 100 Soldaten unterstehen:

    Es ist der 8. Februar, der Tag vor Aschermittwoch. Sicherlich waren die Dorstener durch die Fastnachtsfeiern etwas abgelenkt, der Bürgermeister Burich selbst soll an diesem Tage an einer Hochzeit teilgenommen haben, es bleibt offen, ob es seine eigene war.
    Ein als Bettler verkleideter hessischer Spion sieht sich an diesem Tag gründlich in der Stadt um, erkennt seine schwache Besetzung und meldet dies unverzüglich seinen unweit entfernten Auftraggebern.
    Nun kommen Meldungen in Dorsten auf, hessische Truppenkontingente seien nahe Dorsten gesichtet worden. Diese Berichte werden jedoch nicht gebührend berücksichtigt.
    So stehen die Hessen mit großer Übermacht vor Dorsten und übernehmen die Stadt am Aschermittwoch 1633 ohne Blutvergießen.

    Der hessische Landgraf Wilhelm V ließ daraufhin Dorsten zu einer Festung ausbauen, wozu er den holländischen Baumeister Johann Adriansch verpflichtete.
    So erhielt Dorsten über die alte Stadtmauer und den dazugehörigen Türmen und inneren Wassergraben hinaus Bastionen, die ihrerseits durch einen fünf Fuß tiefen Wassergraben und einen zusätzlichen Erdwall geschützt wurden. Zu diesen Arbeiten wurden die Besatzung, die Bürger und auch Bewohner der Nachbarschaft herangezogen. Die Mitarbeiter des Kupferstechers Matthäus Merian haben dieses Festungswerk überliefert. Für Dorsten liegt der Glücksfall vor, dass der Stich über die Belagerung1 für eine heutige Betrachtung überliefert worden war (Nordrichtung zum unteren Kartenrand).

    Starke Bastionen wurden vor dem Franziskanerkloster [1300;1150] 2 und dem Recklinghäuser Tor [600;1100 - 850;1200], dem Essener Tor [1040;930] und dem Lippetor errichtet [1100;1350]. Wie auf Merians Stich über Dorstens damalige innere Bebauung gut zu erkennen ist, wurden insgesamt 8 Bastionen und durch gerade Erdwälle (Kurtinen) verbunden. Die Bastionen blieben stadtseitig offen, um von den alten Stadtmauern her leicht beschießbar zu sein. Die Flanken der Bastionen und die verbindenden Erdwälle konnten von der jeweils benachbarten Bastionen mit Geschossen bestrichen werden. Sämtliche Wälle bestanden aus Erde, die durch den Aushub des Vorgrabens bereitgestellt wurde (s. Schnittzeichnung durch die Befestigungsanlagen und Abschnitt Fachbegriffe im Festungsbau).
    Die zum Feinde zugewandte Brustwehr des Erdwalls war mit ca. 45 Grad abgeböscht. Zur Stadt fiel der Wall steil ab. 1,20 m unter der Oberkante verlief der erste Laufgang für die Verteidiger, weiter tiefer war ein zweiter Weg eingerichtet, um Verteidiger schnell von einem Ort zu einem anderen zu bringen, wenn es die Situation erforderte.
    Der Vorgraben war mit Wasser bis zu einer Tiefe von 1,50 m gefüllt. Er wurde durch den Barloer Bach und den Schölzbach (auch Mühlenbach genannt) gespeist. Um den Vorgraben verlief ein zusätzlicher Erdwall. Er war zum Wasser hin steil abfallend in Mauerwerk ausgeführt, zum Feinde hin aber leicht abfallend in Erde gestaltet, so dass die Angreifer keinerlei Deckung gegen die Geschosse der Verteidiger hatten. Jenseits der Lippe war zum Schutze der Brücke ein Brückenkopf mit einer aus mehreren Wällen bestehenden Bastion erstellt worden [1100;1500]. Von den Wällen war der innere immer höher als der äußere wie dies sehr gut in der nordöstlichen Seitenansicht zu erkennen ist. Zwischen Lippe und alter Stadtmauer war aus Platzgründen nur eine kleinere Bastion [1100;1400] errichtet. Dafür wurde östlich davon, zwischen Lippe und Wassergraben, eine Hilfsbastion gebaut, der sogenannte "Halbmond" [1030;1400].
    Der Bau der Befestigung dauerte von 1633 bis 1634.

    Ihre Bewährungsprobe erhielt die Festung im Jahre 1636 als der Kaiserliche Generalfeldmarschall Johann von Goetzen das von den Hessen besetzte Gebiet eroberte, Dorsten aber nicht einnehmen konnte.

    Im Jahre 1641 wurde jedoch Dorsten von 20000 Soldaten eingeschlossen, und es kam zur der

    Belagerung der Festung Dorsten

    Das auf der Belagerungskarte angegebene Quartierverzeichnis [1700;50] zeigt die beteiligten Regimenter, ihre Führer und die Anzahl der Kompanien. Insgesamt waren an der Belagerung rund 20.000 Mann beteiligt. Für alle diese Menschen musste Proviant sowie für die Pferde Futter herbeigeschafft werden. Zusätzlich mußte der Tross versorgt werden. Man rechnete damals pro 1000 Soldaten 500 Frauen und 300 Kinder. Somit war die Gesamtzahl der zu versorgenden Menschen 36000. Der Tross musste aber nicht nur versorgt, sondern auch beschützt werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sämtliche Lager mit aufgeworfenen Erdwällen geschützt wurden.

    Die Angriffe auf die Stadt Dorsten wurden 1641 von drei Seiten aus unternommen. Dabei konnten Attacken, die auf das Essener Tor durchgeführt wurden, erfolgreich abgeschlagen werden. Konzentrierte Angriffe auf die Bastionen vor der Lippebrücke und vor dem Lippetor, der Dauerbeschuss auf die Stadtmauer am Finkennest [1180;1365], das dem heutigen Johanneskamp nahe gelegen war, sowie die Zerstörung des Stauwehres des äußeren Wassergrabens sollten schließlich nach 65-tägiger Belagerung zur Kapitulation der hessischen Verteidiger führen. An der Westseite der Festung waren die Laufgräben der kaiserlichen Angreifer sehr eng gezogen [1300;900 - 1400;1350]. Hier kämpfte von Süden kommend die Infanterie der Pinau'schen Truppen, die sich mit den Regimentern von Demersy aus dem Norden traf. In der Nähe der Lippe wurden Kanonenbatterien aufgestellt, die auf das Finkennest zielten. Über die Demersy'sche Laufbrücke konnten sich die Truppen in ihr nördlich der Lippe gelegenes Lager zurückziehen.

    15. Juni

    Das Heer des kaiserlichen Generalfeldmarschalls Melchior von Hatzfeld erscheint vor Dorsten und schließt die südliche Seite ein. Zu gleicher Zeit rückt Generalfeldzeugmeister Alexander von Vehlen von Norden auf Dorsten zu und schließt den Belagerungsring.

    Von Hatzfeld schlägt sein Hauptquartier im Süden Dorstens noch vor dem Gelände des heutigen MovieWorld-Parks (Kirchellen bei Gladbeck) beim Vetten Bockem [550;50] in ca. 2,5 km Entfernung von Dorsten auf. Da sich hier unter anderem die Kriegskasse befindet, wird das Lager durch Erdwälle und Gräben befestigt. Die Nummer 11 auf der Belagerungskarte bezeichnet das Meutter'sche Lager, in dem sich die Kavallerie mit einer Stärke von insgesamt 13 Kompanien, also ca. 1800 Mann befindet. Das Siechenhaus [1230;430] ist weniger als 1 km vom Hatzfeld'schen Lager entfernt. Südlich des Siechenhauses, etwa 2 km Luftlinie von der Stadtmitte entfernt, liegt das mit Nr. 8 bezifferte Lager des Generalwachtmeisters Trautisch [1000;200]. Neben seinem eigenen Regiment mit 6 Kompanien liegen dort auch die Reiterregimenter des Generalfeldmarschalls von Hatzfeld und das Philipp'sche Reiterregiment. Zusammen sind es - der Fahnenanzahl entsprechend - 15 Kompanien mit einer Stärke von insgesamt knapp 2000 Mann. Jenseits des Schölzbaches, nur wenige hundert Meter vom Siechenhaus, besteht das Binau'sche Lager (Nr. 6) aus Infanterie mit einer Truppenstärke von 26 Kompanien, also ca. 3800 Mann. Das Lager ist nur ca. 1,5 km von der Stadtmitte entfernt.

    In der Nähe der Barloer Mühle [150;1000] bezieht das Dragoner Regiment Corasco mit 2 Kompanien Quartier. Auf der Karte ist ein wichtiger Abschnitt des südlichen äußeren Belagerungsrings zu erkennen; seine Laufgräben wurden von den Infanterietruppen des Binau'schen Lagers vorgetrieben. Unweit der südlichen Bastion der Stadt befindet sich noch der sogenannte Soldatenfriedhof [850;800], auf dem diejenigen beerdigt werden, die keine Bürger der Stadt Dorsten waren.
    Durch aufgeworfene Wälle wird neben der Mühle ein kleiner Verteidigungsposten mit einem schmalen Eingang, von Dorsten abgewandt, errichtet. Östlich des Recklinghäuser Tores am nördlichen Lippeufer liegen die mit Nr. 7 (wie zu Corasco) benannten drei Westphal'schen Reiterregimenter [400;1350]. Sie haben über eine von den Sparr'schen Infanterieregimentern geschlagene Laufbrücke Verbindung zu dem südlichen Teil der Belagerungstruppen. Das Recklinghäuser Tor wird wegen der sumpfigen Bodenbeschaffenheit nicht bestürmt. Vielmehr konzentrieren sich alle Bemühungen auf die Bastionen des Lippetores bzw. der Lippebrücke.

    Südlich der Lippe und westlich von Dorsten, befindet sich das Ohr'sche Lager (Nr. 9) [2300;1200], in dem die Reiterregimenter von Ohr mit 6 und von Salm mit 10 Kompanien lagen. Generalfeldzeugmeister Alexander von Vehlen hat während der Belagerung seinen Kommandostand bei Haus Hagenbeck (zu Holsterhausen), das mit Nr. 2 bezeichnet ist. Vehlen besitzt ein Schloß im nahegelegenen Raesfeld, das er mit den Kriegsgewinnen dieser Zeit ausbauen kann. In seiner Nachbarschaft, hinter den Hügeln des Hohenkamps im Nordwesten von Dorsten, hat das Infanterieregiment von Demersy sein Lager errichtet (Nr. 5) [1700;1950]. In der Nähe des Dorfes Holsterhausen [1900;2300] befindet sich das Epptische Lager, in dem insgesamt 22 Reiterregimenter von Eppe, Knich, Zarradetzkel und Alt Nassau liegen (Nr. 10). Insgesamt 18 Kompanien des Barons Demersy heben südlich des Hohenkamps Laufgräben aus, die dann zur zweiten und dritten Parallele unmittelbar vor den befestigten Brückenkopf führen.

    Die ersten 14 Kanonen werden nördlich der Lippe, etwa am Verlauf der heutigen B224 (Hohenfeld) stationiert. Im Marienviertel, und zwar bis zum Mündungsbereich der heutigen Borkener und Pliesterbecker Straße, steht ein befestigtes Lager und Belagerungspark [380;2000 - 970;2300], in dem die Infanterieregimenter von Sparr  mit 6 Kompanien, das Regiment Hatzfeld mit 6 Kompanien, das Regiment Vehlen mit 6 Kompanien, das Regiment Seybertorf mit 8 Kompanien sowie das Regiment Westphal mit 5 Kompanien untergebracht sind. Insgesamt lagern dort mit Tross rund 5000 Menschen.

    Die Verteidiger sind deutlich in der Minderzahl:
    Kommandant Kotz und Oberkommandant Geyso zählen Anfang Juli 1600 Mann, die kurz vor der Einschließung durch 400 Mann aus Kalkar auf 2000 Soldaten aufgestockt werden.

    Während die eingeschlossenen 2000 Verteidiger und die zivile Bevölkerung von Dorsten von ihren kärglichen Vorräten leben müssen, haben die Angreifer einen Bedarf für 20.000 Soldaten und den Tross, bestehend aus ca. 10000 Frauen und ca. 6000 Kindern. Zu dem müssen die Pferde der Kavallerie (ca. 8800 Stück) und die Pack- und Lastpferde mit Heu bzw. Hafer versorgt werden. So wurde am 16. Juli von der Stadt Recklinghausen 3000 Pfund Brot, 16 Tonnen Bier, 4 Rinder und 15 Sack Hafer für das Lager in Dorsten eingetrieben, sicher nur ein marginaler Bruchteil des tatsächlichen Bedarfs.
    Es war üblich, dass das "gastgebende" Land, in dem sich die Armeen befanden, für die Verpflegung und Versorgung aufzukommen hatte. Ein Edikt, das Tilly im Jahre 1630 in Regensburg herausgegeben hat, mag einen Eindruck darüber geben, welche Lasten der heimgesuchten Bevölkerung aufgehalst wurden.
     

    Angriffsvorbereitungen

    Im Kugelhagel der Festungsgeschütze treibt das Regiment des Grafen Sparr von seinem Lager einen Laufgraben in Richtung Bastion. Überwiegend nachts werden 4 Fuß tiefe Gräben ausgehoben. Die Erde wird zur Feindesseite aufgeworfen, so dass ein ausreichend hohe Schutz erreicht wird.

    750 Schritt vor der vordersten Bastion, dem Brückenkopf, wird die erste "Parallele" gezogen [1120;1560].

    Hinter Erdhügeln oder aufgeschütteten Wällen werden Kanonen und Mörser aufgestellt, mit denen die Festungsgeschütze beschossen werden. Bei Tage wurde die erste Parallele verbreitet, der Erdauswurf verstärkt und gleichzeitig wurden gedeckte Zugänge von rückwärts nach ihr geschaffen. Gegen stärkere Ausfälle werden geschlossene viereckige Schanzen auf den Flügeln aufgeworfen und zur Bekämpfung des Geschützes in den Vorwerken Ricochet- und Wurfbatterien aufgestellt. Aus der ersten Parallele treiben die Angreifer Laufgräben gegen die Festung bis auf etwa 400 Schritt Entfernung vor. Die Schanzarbeiten werden meist bei Nacht ausgeführt, während die Verteidiger durch Kleingewehr-, Wallbüchsen- und Kartätschenfeuer das Auswerfen der Annäherungsgräben zu verhindern suchten. Aus der zweiten Parallele werden schließlich unter Benutzung von Schutzschilden Laufgräben bis an die Befestigungswälle vorangetrieben. Von dieser Stellung aus sollte später der Brückenkopf im Sturm gewonnen werden.

    Die Belagerten wehren sich tapfer, entschlossen und tollkühn:
    Die Landgräfin von Hessen Amalie Elisabeth, die 1637 nach der Ächtung ihres Mannes Wilhelm V die Regierungsgeschäfte von Hessen Kassel übernommen hat und sich zäh und mit Umsicht in den politischen Machtkämpfen zu behaupten weiß, schreibt an den Herzog von Braunschweig, der Wolfenbüttel belagert:

    4. August:

    "Die Belagerten tun mit Schießen und Ausfällen großen Schaden, doch ist der Feind mit den Approchen bei der Recklinghäuser und Lippeschanze bis an den Graben gekommen, daher schleuniger Entsatz nötig."
     

    Vordringen der Belagerer

    Durch Dauerbeschuss bringen die Angreifer den Verteidigern große Verluste bei. Deren Verteidigungskraft nimmt zusehends ab.
    Die kaiserlichen Angreifer schanzen nördlich der Lippe die nächsten Laufgräben in Richtung nördliche Bastion aus. Der zweite parallel verlaufende Schützengraben in nur 400 Schritt Entfernung wird gegraben. In dieser werden die Demontierbatterien eingerichtet, die die Wälle senkrecht beschießbar und besonders die Geschütze unbrauchbar machen sollen. Es werden Mörser eingesetzt, die die auf den Verteidigungswällen aufgestellten Geschütze zerstören sollen.
    Die Belagerer schießen nicht nur von Norden, sondern auch von der Südseite, wo jenseits des Schölzbaches etwa auf der Mitte zwischen Siechenhaus und Essener Tor eine Batterie von 11 Geschützen aufgestellt wird. Die hessischen Verteidiger wehren mit verzweifelten Anstrengungen ein Überschreiten des Schölzbaches ab.

    Nachts graben die Belagerer westlich des Schölzbaches Verbindungsgräben nach Norden, um eine Verbindung mit dem vorschreitenden nördlichen Angriff herzustellen, vgl. [1300;900 - 1400;1350]. Die Zerstörung der Festungsgeschütze nimmt gravierende Ausmaße an: Eines Nachts unternehmen die Hessen einen Ausfall aus dem Brückenkopf. Es gelingt ihnen tatsächlich, eine Batterie von Mörsern zu zerstören. Sie bezahlen dies mit vielen Toten, während das zerstörte Kriegsmaterial auf der Gegenseite wieder ersetzt wird.

    Gegen ein Trommelfeuer der Verteidiger heben die kaiserlichen Infanteristen weitere Laufgräben nach vorne aus. Sie schützen sich durch Körbe, die mit Erde gefüllt sind und auf Rollen nach vorne geschoben werden können. Die Seiten werden durch Schanzkörbe abgedeckt.
    So gelangen sie bis an den Rand der äußersten Befestigungsanlagen, dem flach ansteigenden Glacis, das ihnen keinerlei Deckung bietet.
    Hier wird der dritte Schützengraben ausgehoben.

    10. August:

    Die Erstürmung des Brückenkopfes

    Amalie Elisabeth schreibt: "Die Belagerer sind der Contreescarpe (der äußersten Deckung für die Verteidiger) so nahe gekommen, dass sie einander Brot zuwerfen können." Damit war offenbar der Angriff auf den Brückenkopf gemeint.
    Unter Feuerschutz der Musketiere erstürmen die Pikeniere der Infanterie und die von ihren Pferde abgesessenen Dragoner der Kavallerie den Brückenkopf.

    Dies war ein entscheidender Schlag gegen die Verteidiger, da sie nun nicht mehr in der Lage waren, sich in Ausfällen gegen das nördliche Heer zu wehren und sich somit Erleichterung zu schaffen.

    Dorsten wird sturmreif geschossen:
    Nachdem der Brückenkopf gefallen war, beginnt ein heftiger Beschuss der nächst gelegenen Bastionen, der es schließlich möglicht, Laufbrücken über die Lippe zu schlagen. Dies wurde durch den Umstand begünstigt, dass die Lippe bereits Niedrigwasser führte. Die stadtseitigen Uferböschungen waren deshalb weitgehend frei und bieten den Angreifern zusätzlichen Schutz zu den Laufgräben, die umgehend ausgehoben wurden.

    24. August:

    Amalie Elisabeth schreibt, dass das Stau- bzw. Wasserwehr, welches den Wasserpegel der Wassergräben kontrolliert, unter heftigen Beschuss genommen wird. Ziel der Belagerer ist es, den Wassergraben trocken zu legen, um den Sturm auf die Bastion zu beginnen. Die hessischen Verteidiger setzen alles daran, den "Steinernen Bären" zu erhalten. Nachts, unter Feuerschutz, wird mit allen möglichen Materialien das Wehr wieder in Stand gesetzt, tagsüber durch Kanonenkugeln wieder zerstört. Ein Tag später wird westlich des Lippetors die erste Bresche geschossen.

    4. September:

    Der hessische Gesandte Krosigk meldet seiner Fürstin Amalie Elisabeth: "Der Feind brauchet zu Dorsten großen Ernst und beginnt nunmehr das Wasser dafür zu nehmen".
    Krosigk bittet verzweifelt den Oberst Rabenhaupt in Borken, "koste es, was es wolle, Volk in Dorsten zu werfen".

    Weiter wird berichtet, dass nun nach Überquerung der Lippe von beiden Seiten längs des Ufers Laufgräben ausgehoben werden. Der östliche Graben, der zur Verteidigerseite mit erdverfüllten Körben versehen ist, zielt direkt auf die kleine Bastion zwischen Lippe und den Erdwällen [1000;1530].
    Von Westen nähert sich der Laufgraben dem Wasserwehr des äußeren Wassergrabens. Die Verteidiger errichten im Kugelhagel in unmittelbarer Nähe des Wehres einen Verteidigungswall, um das Näherkommen der Feinde zu verhindern.
    Ein blutiger Kampf entsteht um die einzelnen Bastionen und das Wehr. Die Angreifer, hinter vorgerollten, mit Erde gefüllten Körben, sind dem Gegner so nahe, dass sie das "Weiße des Auges" erkennen können. Die Angreifer sind zahlenmäßig weit überlegen.

    8. September:

    Es wird berichtet, dass bei einem Sturm auf das Finkennest 350 Angreifer getötet werden. Die zwischen der Stadt und der Lippe errichtete kleine Bastion, der sogenannte Halbmond, wird unter schweren Verlusten genommen.
    Die Verteidiger ziehen sich zurück und werfen von den inneren, höheren Wällen Handgranaten, nachts zusätzlich Pechkränze, um die Gegner besser zu sehen. Da sämtliche Bastionen zur Stadt hin offen und somit zunächst ohne Schutz sind, haben die kaiserlichen Truppen Schwierigkeiten, das eroberte Terrain zu halten.

    Nachdem auch von Westen die Angreifer bis an die Bastion gegenüber des Lippetores gekommen waren, wird ein Damm über den Wassergraben aufgeworfen, der eine Brustwehr erhält, um Schutz vor dem Verteidigungsfeuer von der nordöstlichen Bastion zu bieten. Die westliche Flanke und die Kehle der erklommenen Bastion werden sogleich in Angriffswerke umgewandelt, die die gegenüberliegende Flanke der Bastion am Finkennest und die Verteidiger auf der Bresche zu bekämpfen haben. Auch der Übergang über den alten Stadtgraben wird durch einen Damm vorbereitet, der mit Schulterdeckung gegen die Flanke zum Finkennest gedeckt ist und westlich vom Lippetor geradezu auf die Bresche führt, zu der die Sturmkolonnen unter Deckung gelangen können.

    12. September:

    Alle Leitern in der Umgegend werden eingefordert, um die zusammengeschmolzene Besatzung großflächig anzugreifen, ihre Kräfte dadurch zu zersplittern und somit den Sturm auf die Bresche am Finkennest vorzunehmen.

    Mittlerweile ist der Wasserpegel in den Wassergräben stark abgesenkt. Trotz heftigen Beschusses werden über den äußeren und auch den inneren Wassergraben Dämme mit Flankenschutz gegen das seitliche Abwehrfeuer errichtet.

    Amalie Elisabeth erreicht nach langwierigen Interventionen, dass von der Belagerung Wolfenbüttels hessische Truppen abgezogen werden, die zum Entsatz nach Dorsten eilen.
    Als diese endlich abgestellt werden, kommt nach 2 Tagemärschen jedoch die Nachricht vom Fall der Festung Dorsten:

    Es ist der 18. September,

    als die Bresche am Finkennest so breit ist, dass ein Regiment in Marschformation hindurch marschieren kann und die Dämme über die Wassergräben einen Sturmlauf ermöglichen, schickt von Hatzfeld am Mittwoch, dem 18. September einen Parlamentär:

    Folgende Konditionen für die Übergabe werden festgelegt:
    Am 19. September solle die ganze hessische Besatzung, die Infanterie mit fliegenden Fahnen, brennenden und beigehangenen Lunten, Kugeln im Lauf, gefüllten Patronentaschen und ebenso die Kavallerie mit ihren Waffen, den Hahn an den Pistolen
    aufgezogen, unter Trommel- und Trompetenschall, nebst Weibern, Kindern, Dienern, Wagen, Pferden und Gepäck nach Lippstadt und Kassel abziehen. Auch 2 Geschütze, wovon aber keines über 12 Pfund Eisen schieße, dürfen sie mitnehmen.
    Freier Abzug wird auch für die Bau- und Werkmeister, Hessischen Räte, Kommissare, Beamten, den Direktor des Justizwesens, den Kriegskommissar, den Kammerschreiber, Magazinverwalter, Apotheker, den reformierten Pfarrer, Schullehrer und Küster nebst Familie vereinbart.

    Als neuer Kommandant zieht Johann Reumont in Dorsten ein, der noch bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden eine wichtige Rolle spielen wird. Die verwundeten hessischen Soldaten wurden nach Borken transportiert, die nicht Transportfähigen mit den kaiserlichen Verwundeten in Dorsten gepflegt. Als die hessische Besatzung auszog, war sie nur noch 650 Mann stark. An Mehl und kleiner Munition hat es nicht gefehlt, wohl aber an Geschützkugeln. Die Hessen ersetzten diesen Mangel durch ihre tapferen Ausfälle.
    In den 65 Tagen der Belagerung beschossen 30 schwere Geschütze die Stadt. 900 Bomben und Granaten bis zu 180 Pfund wurden in die Stadt geschleudert. Der jämmerliche Ruin der Stadt Dorsten, so heißt es im Theatrum Europäum, läßt sich ermessen.
    1674 ließ der Herzog von Braunschweig, dem die Unterhaltung der Festung zu kostspielig war, die Verteidigungsanlagen niederreissen und einebnen.

    Fortan, so heißt es in der Geschichtsschreibung, war Dorsten seinen Angreifern hilf- und wehrlos ausgeliefert.



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    Kriegshelden

    Johann Freiherr von Geyso
    geboren 1593 in Borken (Hessen), gestorben 1661,
    war im Dreißigjährigen Krieg ein General der Truppen von Hessen - Kassel. Agierte 1636 als Kommandant von Paderborn, 1641 als Kommandant von Dorsten und war in der Folgezeit an zahlreichen Belagerungen und Eroberungen beteiligt. {zurück}

    Johann Graf von Goetzen
    geboren 1599, gestorben 1645,
    Kaiserlicher Feldherr; 1628 Kommandant von Rügen, erobert 1635 Würzburg, belagert Hanau, erobert Lemgo 1636, dann Bielefeld, Paderborn, Dortmund, Lünen, Hamm, Werl, Soest; siegt über die Hessen bei Dorsten.

    Melchior von Hatzfeld
    geboren 1593, gestorben 1658,
    als ältester von drei Brüdern. Die Eltern: Sebastian von Hatzfeld, der in erster Ehe Lucia von Säckingen geheiratet hatte.
    Sein Bruder Franz, geb. 1596, wurde Fürstbischof zu Würzburg und starb 1642. Hermann, geboren 1603, war bis 1641 Reichsgraf und starb 1677.
    Melchior von Hatzfeld blieb sein Leben lang unverheiratet. Er wurde Kaiserlicher Generalfeldmarschall und eroberte im September 1641 das von den Hessen besetzte Dorsten nach einer Belagerung von 65 Tagen. {zurück}

    Franzesco de Mendoza
    gestorben 1623,
    spanischer General in den Niederlanden; besetzt bzw. plündert 1588/89 Jülich, Kleve, Berg, Mark, Aachen, Essen, Werden, Dorsten, Recklinghausen, Unna, Kamen, Lünen, Hamm, die Städte im Bistum Münster.



     

    Einige Fachbegriffe im Festungsbau
     

    Approche  im Zickzack angelegte Gräben mit einseitiger Brüstung zur geschützten Annäherung an die Festung
    Außenwerk  Verteidigungsanlage vor dem Hauptwall im Festungsgraben
    Batterie  Erdhügel zum Aufstellen von Geschützen
    Bedeckter Weg  Weg am äußerten Rand des Grabens mit einer Brustwehr
    Bastion (Bollwerk)  in der Regel fünfeckige Befestigung
    Contreescarpe  äußere Grabenböschung mit Futtermauer
    Escarpe  innere Grabenböschung mit Futtermauer
    Face  Außenseite (Schenkel) des spitzen Bollwerkwinkels
    Faschine  Reisigbündel oder Flechtwerk zur provisorischen Befestigung von Erdbauten
    Glacis  Flache Böschung an der Außenseite des Festungsgrabens
    Halber Mond  Ravelin mit halbmondartiger Kehllinie meist vor der Bollwerkspitze
    Kurtine  gerades Wallstück zwischen zwei Bollwerken
    Ravelin  Außenwerk mit nur zwei Faces, meist vor der Kurtine
    Redoute  kleine viereckige Werke zur Unterstützung der Approchen
    Retrenchement  verschanzter Abschnitt aus Erde oder Faschinen
    Ricochet...  Aufprall...
    Sappe  Weg durch das Glacis und bedeckten Weg zum Graben (von den Approchen aus vorgetrieben)
    Schanzkörbe  mannshohe, mit Erde gefüllte Körbe als Schutzwall
    Tranche  Sammelbegriff für Laufgräben, die ganze Werke im Vorfeld zusammenschließen

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