Vom Quelltext der »Altschwedischen Thidrekssaga«
die Nibelungen betreffende Auszüge:
NIFLUNGA SAGA
in der Übersetzung von Heinz Ritter-Schaumburg.
Copyright © Herbig Verlag München
In freier Teilübersetzung des o.g. Autors erschienen unter
Sagen der Völker (3. erw. Aufl. 1976)
Copyright © Verlag Freies Geistesleben GmbH Stuttgart
Im Gesamtwerk erschienen als:
Die Didriks-Chronik oder die Svava
Copyright © Otto Reichl Verlag St.Goar
Mb: Zitat aus der Thidrekssaga bzw. deren Stockholmer Handschrift Membrane, {...} daraus ergänzend. |
14.
Nahe dem Nordgebirge (Schrift A: 'Vor dem Nordgebirge',
'in Svava') liegt ein Schloss, das Sægard
heißt. Das besaß die reiche Brynilla (nachfolgend: Brünhild), die Schöne und die Kluge; und
viele Taten geschahen um ihretwillen in der Welt. Sie war eine mächtige
Jungfrau. Ihr Vater und Mutter waren tot.
In einem Wald dort ganz nah bei besaß sie ein großes Gehöft,
darauf wirtschaftete ein Mann, der Studder hieß. Er hatte dort sein
Gestüt (Schrift A: 'Dort hatte sie ihr Gestüt')
in diesem nämlichen Wald, und die Rosse waren alle grau und schwarz.
Dort zog man die besten Hengste auf, die es gab, Schimmlinge und Falken
und manche mehr.
Studder hatte einen Sohn, der hieß auch Studder. Sein Gesicht
war breit und nicht lang. Er war groß- und schnelläugig, gülden
Haar hatte er und braunen Bart, großen Kopf und breite Schultern.
Er hatte lange Arme und vier Ellbogen, dicke Hände und schöne
Finger. Er war ein kleiner Mann, recht vierschrötig.
Es war seine größte Lust, zum Zweikampf zu reiten und fechten
zu lernen. Er konnte wohl mit der Armbrust schießen. Er war grimm
und hochmütig, so dass keiner begehrte, Umgang mit ihm zu haben. Er
war der rascheste Ritter, den es geben konnte. Die Freunde, die er hatte,
liebte er von Herzen. Sie änderten seinen Namen und nannten ihn Heim;
denn ein (Lind-)Wurm heißt Heim, der ist voller
Gift, alle Würmer fürchten sich vor ihm. So tat auch das Volk
vor Heim, dass Alle vor ihm bange waren. Er handelte öfter schlimm
als gut. Sein Vater gab ihm einen Hengst, der Rispa hieß. Er war
in demselben Gestüt gezogen, von dem vorher gesagt war; und er war
pech-grau.
148.
Ein König, der Sigmund hieß, herrschte über ein Reich,
das Tarlungaland hieß. Er war ein reicher Mann und ein mächtiger
Kämpe. Er sandte Boten an König Nidung vom Haspengau und warb
um seine Tochter. Sie hieß Sissibe, sie war sowohl klug als schön.
Der König empfing sie wohl und sagte: »Ich will meine Tochter
nicht so hinaussenden mit so wenigen Leuten; doch ich habe erfahren, dass
Sigmund ein Mann von guter Geburt ist und ein mächtiger Kämpe.
Wenn er selber hierher kommen will mit Rittern und Knappen, dann will ich
ihm gern meine Tochter geben.«
Dann beschenkte er die Boten und ließ sie heimfahren.
Sie kamen heim und sagten ihrem Herrn, welche Antwort sie erhalten
hatten.
Da machte König Sigmund sich bereit und ritt zum Haspengau mit
vierhundert Rittern, kostbar ausgerüstet. Nidung-König sandte
ihm Boten entgegen und empfing ihn sehr wohl. Als Sigmund zum Haspengau
gekommen war, brachte er seine Werbung um die Königstochter vor. König
Nidung antwortete ihm wohlwollend, gab ihm seine Tochter und ließ
dazu laden Herren und Fürsten, Ritter und Knappen. Und er machte Brautlauf,
ehe sie sich trennten. Nidung-König gab Sigmund große Burgen
und sein halbes Reich. Seinem Sohn Ortwangeris gab er die andere Hälfte
und machte ihn zum König im Haspengau; denn er selbst war ein alter
Mann. Die Hochzeit währte fünf Tage lang. Dann ritt König
Sigmund heim und seine Ehefrau mit ihm.
149.
Als Sigmund acht Tage daheim gewesen war, kamen dahin zwei Sendboten
von einem König, der Drasolf hieß. Der hatte König Sigmunds
Schwester zur Frau. Er erhoffte sich Hilfe von Sigmund-König und bat
ihn, zu ihm zu kommen. Er kriegte gegen ein Land, das Talingeland heißt.
König Sigmund antwortete: »Ich werde meinem Schwager helfen,
was ich kann!«
Darauf sammelte er Volk in all seinem Reich und richtete sich darauf
ein, dass er ein Jahr lang fort sein wollte. Das Reich befahl er zwei Grafen
an. Der eine hieß Hermen, der andere hieß Hartwin. Er bat sie,
seiner Ehefrau wohl zur Seite zu stehen. Sie waren vorzügliche und
kluge Männer. Daher traute er ihnen sehr wohl und trug ihnen auf,
der Königin gehorsam zu sein. Darauf ritt er zu Drasolf-König.
Drasolf hatte da dreihundert Ritter, Alles in Allem hatte er siebentausend
Leute. König Sigmund hatte nicht weniger Volk.
Sie kriegten in Pullia und gewannen dort viel Ruhm.
150.
Die Grafen regierten nun Sigmunds Reich.
Eines Tages ging Hartwin zur Königin, redete mit ihr und sagte:
»Ihr wisst wohl, dass dieses Reich und Alles, was ihr besitzt, ich
in meiner Verwaltung habe. Nun will ich euch sagen, was ich mir dachte:
Ich will euch zu meiner rechten Gemahlin haben, und uns beiden wird gehören,
was ich in Verwaltung habe. Auch glaube ich niemals, dass König Sigmund
irgendwann wiederkommt! Doch wäre es auch so, dass er wiederkommt,
so will ich dieses Reich gegen ihn wahren, falls du willst wie ich. Ich
bin ein besserer Kämpe, als er ist!«
Die Königin erwiderte: »Du sollst nicht solch ein Wort zu
mir reden! Ich will keinen Mann haben, bevor mein Herr heimkommt! Ich will
dir vergeben, dass du so verwegen gesprochen hast. Tust du das mehr, so
werde ich das meinem Herren sagen. Dann bekommst du Strafe dafür,
und er lässt dich gleich hängen!«
Er antwortete: »Du hast wohl bemerkt, dass ich ebenso mächtig
bin wie Sigmund-König; und ich habe beides, Land und Reich!«
Sie entgegnete: »Und wenn dir die halbe Welt gehörte, so
bist du doch gleichwohl König Sigmunds Vasall! Und ihn will ich haben,
und niemals dich! Nun sprich hier niemals mehr davon, wenn du dein Leben
behalten willst!«
So ging er von ihr zu Hermen, seinem Stallbruder. Er fragte ihn, wie
er seine Absicht voranbringen sollte.
Hermen antwortete: »Ich sähe gern, du gäbst deine böse
Absicht auf. Willst du sie aber durchaus nicht lassen, so werde ich dir
helfen mit Wort und Rat, wie ich kann.«
Hartwin sprach: »Es hilft kein Verbergen: Ich muss mein Anliegen
vorwärts bringen! Entweder ich werde darum sterben, oder sie soll
'drum ihr Leben lassen!«
Nun ging Hermen mit ihm zur Königin. Die Königin empfing
Hermen wohl. Dann begann er seine Rede Hartwins wegen. Die Königin
antwortete, wie sie vorher getan hatte, und wurde ganz zornig auf Hermen.
Deshalb ging er hinaus zu seinem Stallbruder und sagte ihm die Antwort.
Oftmals versuchte Hartwin dieselbe Sache mit der Königin und bekam
um so schlechtere Antwort.
151.
Sigmund-König und Drasolf-König sengten und heerten im Pullialand
und richteten dort großen Schaden an.
Dann wandten sie sich wieder heim, jeder in sein Reich. Das erfuhren
nun die Grafen, dass König Sigmund in sein Reich gekommen war.
Hartwin sagte zu Hermen: »Kommt der König heim, dann sagt
die Königin ihm, was wir zu ihr geredet haben, und wir könnten
uns da großen Zorn von ihm zuziehen. Wir werden hier einen anderen
Ausweg finden!«
Dann gingen sie zur Königin und sagten, sie wollten zum König
fahren und sehen, wie er sich befände. Damit war sie wohl zufrieden.
Als sie zum König kamen, empfing der sie wohl.
Hartwin sprach heimlich zum König: »Ich muss euch schlimme
Nachricht sagen. Ich kann das nicht verschweigen, denn es gehörte
zu meiner Befugnis, während ihr fort ward: Als ihr von Hause fuhrt,
nahm deine Ehefrau ein schlimmes Spiel vor. Sie ließ einen ihrer
Knechte bei sich liegen. Als wir ihr das verwehren wollten, sagte sie,
sie wolle uns bei dir verklagen, und du kannst uns nun töten lassen,
wenn dir das recht scheint. Doch hat der Knecht manche Nacht in ihren Armen
gelegen, und sie trägt ein Kind von ihm. Das wollten wir dir sagen,
ehe du heimkommst.«
Der König antwortete: »Lügt ihr über sie, dann
wird das euch beide das Leben kosten!«
Sie schwuren, das sei alles wahr, wie sie es sagten.
Der König sagte: »Gute Freunde, was soll ich mit dieser
Frau anfangen, die sich so übel aufgeführt hat? Ich will sie
hängen oder ihr die Augen ausstechen und ihr die Füße abhauen
lassen und sie so ihrem Vater schicken!«
Hartwin antwortete: »Lasst sie in einen Wald führen, der
Swana (Svava)-Wald heißt; dort geht kein Landsweg, und lasst ihr
die Zunge herausschneiden und sie dann leben, solange sie kann!«
Der König sagte, das wäre ein guter Rat. Er trug ihnen auf,
die Königin in den Svava-Wald zu führen.
152.
Darauf ritten sie heim zur Königin. Als sie sah, dass sie kamen,
war sie froh und erwartete sich gute Nachricht von ihrem Herrn.
Hartwin sprach zu ihr: »König Sigmund ist heimgekommen,
er liegt hier im Svava-Wald mit all seinem Heer. Er bat, du möchtest
zu ihm kommen. Wir sollen euch dahin begleiten, wie er uns aufgetragen
hat.«
Die Königin antwortete: »Gerne will ich zu ihm fahren. Lasst
mich ein Mädchen mit mir nehmen!«
Hermen antwortete: »Es ist kein langer Weg, darum brauchst du
kein Mädchen mit dir nehmen.«
Daraufhin begleiteten sie sie in den Svava-Wald. Als sie in ein großes
Tal gelangten, wohin vorher niemals ein Mensch gekommen war, stiegen sie
von ihren Pferden.
Da sprach die Königin in großem Kummer: »Wo bist du,
Sigmund-König? Warum hießest du diese Männer mich hierher
führen? Nun weiß ich, dass ich betrogen bin! Nicht hast du mich
alleine getäuscht: Du hast auch dein eigenes Kind betrogen!«
Sie weinte ganz bitterlich.
Nun sprach Hartwin: »Nun werden wir tun, wie uns aufgetragen
ist: dir die Zunge aus dem Kopf schneiden und sie dem König bringen!
Und hier sollst du dein Leben lassen!«
Hermen entgegnete: »Diese Frau hat keine Schuld! Finden wir einen
anderen Rat! Nehmen wir diesen Hund, der uns begleitet, und schneiden wir
ihm die Zunge aus dem Kopf und bringen sie dem König!«
»Nein!« sagte Hartwin, »Sie soll uns nun entgelten,
dass sie uns übel geantwortet hat, und sie soll nun nicht länger
leben!«
Hermen erwiderte: »So helfe mir Gott! Du sollst ihr nichts Böses
tun, wenn ich dir das verwehren kann!« und zog sein Schwert aus der
Scheide.
Indem gebar die Königin einen schönen Knaben. Sie nahm ein
Glasgefäß, in welchem sie ihr Getränk gehabt, hüllte
das Kind in ein Tuch, tat es in das Glasgefäß und legte es neben
sich. Die Grafen schlugen sich heftig und mannhaft. Hartwin stieß
mit dem Fuß an das Glasgefäß, dass es in den Fluss geriet.
Da schwang Hermen sein Schwert mit beiden Händen auf Hartwins Hals
und schlug ihm das Haupt ab.
Als die Königin sah, wie das Kind dahinfuhr, schwanden ihr die
Sinne wegen der Schwächung, die sie vorher erlitten hatte. Da starb
sie. Hermen grub ihren Leichnam ein; dann stieg er auf sein Ross und ritt
zu Sigmund-König.
153.
Nun fragte Sigmund-König ihn, wo sein Stallbruder wäre.
Hermen antwortete: »Wir wurden uneins; denn er wollte die Königin
töten, sie dauerte mich, und ich wollte ihr helfen. Solange stritten
wir darum, bis wir begannen, uns zu schlagen, und ich wurde sein Tod. Die
Königin gebar einen schönen Sohn. Hartwin stieß ihn in
den Fluss, ehe er starb.«
Der König fragte: »Wem rechnete die Königin das Kind
zu, mir oder dem Knecht? Oder habt ihr über sie gelogen?«
Hermen antwortete: »Das ist nicht gelogen. Oft geschieht es,
dass ein Mann eine Torheit begeht und bereut das dann lange, und er mag
doch gleichwohl ein Ehrenmann bleiben.«
Der König sagte: »Geh weg! Aus meinen Augen! Und komm niemals
mehr vor mich! Deinen Dienst will ich nicht haben, denn du bist jedes Herrn
Betrüger!«
Hermen ritt fort mit all seinen Mannen und kam niemals mehr wieder.
154.
Das Glasgefäß, darin das Kind lag, trieb nieder zum Fluss
und auf einen Sand, und das Wasser fiel.
Da zerbrach das Glas, und das Kind fing an zu schreien. Da kam eine
Hirschkuh dahin, nahm das Kind in ihr Maul, trug es hinauf in den Wald
und legte es zu ihren Jungen. Sie ließ es an sich saugen und zog
es auf, so gut sie nur konnte, ein Jahr hindurch. Als der Jahrestag kam,
war er so groß und stark wie ein vier Jahre altes Kind.
155.
Dort wohnte ein Schmied, der Mime hieß, nicht weit von demselben
Walde.
Er war der beste Schmied, von dem man damals zu sagen wusste. Er hatte
eine Frau und viele Knechte; er hatte kein Kind mit seiner Frau. Darum
hatte er großen Kummer. Er hatte einen Bruder, der Regen hieß,
der war beides, groß und böse. Deshalb ging es übel mit
ihm; denn er war ein solcher Hexenkerl, er wurde zuletzt ein Wurm, der
schlimmste, den es geben konnte. Er tötet jeden Menschen, den er sieht,
nur nicht den eigenen Bruder. Dem tat er nichts. Niemand wusste auch, wo
er lag, als Mime, sein Bruder.
156.
Eines Tages ging Mime zum Wald, Kohlen zu brennen.
Er hatte mit sich für drei Tage Kost. Sie machten dort große
Feuer. Als Mime am Feuer saß, kam da ein kleiner Wicht gelaufen.
Mime setzte ihn auf sein Knie und fragte, wer er wäre. Er konnte ihm
keinen Bescheid geben, denn er konnte nicht sprechen. Mime nahm Kleidung
und hüllte ihn ein; denn er war vorher nackt. Da kam dort eine Hindin
(Hirschkuh) zu Mime vorgelaufen und leckte dem Kinde
Gesicht und Kopf. Daran erkannte Mime, dass die Hindin das Kind aufgezogen
hatte. Darum wollte er sie nicht töten. Er führte das Kind mit
sich heim und wollte sich dort einen Sohn aufziehen, weil er kein Kind
hatte; und ließ ihm Namen geben und nannte ihn Sigfrid (Sigord).
Als er neun Jahre alt war, da war er so groß und stark, dass alle
Menschen sich darüber wunderten. Da wurde er auch so arg und schlimm:
allzeit schlug er Mimes Schmiedeknechte, und die konnten sich nicht retten
vor ihm.
157.
Mime hatte einen Jungburschen, der Ekki hieß. Er war der größte
von den zwölfen, die ihm dienten. Eines Tages kam Sigfrid in die Schmiede
zu Ekki. Der schlug Sigfrid ans Ohr mit einer Zange. Sigfrid griff ihm
mit der Linken ins Haar und schlug ihn zu Boden. Da liefen alle Schmiedeknechte
auf Sigfrid los. Der entwich zur Tür, hielt Ekki im Haar und zog ihn
mit sich zu ihrem Hausvater hin.
Da sagte Mime zu Sigfrid: Ȇbel tust du, dass du meine Burschen
schlägst, die mir Nützliches schaffen sollen! Du treibst nichts
als Arges und zeigst dich jetzt ganz stark. Du sollst nun lernen, wie gut
Arbeiten ist!«
Er führte ihn mit sich zur Schmiede, legte ein großes Eisen
ins Feuer und gab Sigfrid einen Hammer, den größten, den er
hatte. Als das Eisen heiß war, legte er es auf den Amboss und hieß
Sigfrid zuschlagen. Sigfrid schlug den ersten Hieb so, dass der Ambossklotz
riss, und der Amboss ab in die Erde fuhr; das Eisen sauste durch die Schmiede,
die Zange zerbrach, und der Hammerschaft zerbrach auch.
Mime sagte: »Niemals sah ich einen grimmigeren Schlag! Was aus
dir auch wird, niemals taugst du zum Handwerk!«
Sigfrid ging in die Stube, setzte sich nieder und schwieg.
158.
Mime dachte nun allzeit darüber nach, wie er den Burschen loswerden
sollte; denn er fürchtete sich allzeit vor ihm.
Er ging da hinaus in den Wald zu dem Drachenwurm, der sein Bruder war,
und sagte zu ihm: »Ich schicke dir einen jungen Mann; sobald er kommt,
töte ihn gleich!«
Darauf ging Mime heim.
Am zweiten Tag darauf hieß er Sigfrid in den Wald gehen und Kohlen
brennen.
Sigfrid antwortete: »Willst du hernach mir so gut sein, wie du
bisher gewesen, dann will ich tun, was du wünschst.«
Mime gab ihm Wein und Fleisch für neun Tage Kost und eine große
Axt und wies ihn dann zum Wald, dahin, wo der Wurm lag.
Als er in den Wald kam, zündete er ein großes Feuer an.
Dann setzte er sich dazu und aß. Er aß und trank in einer Mahlzeit,
was ihm für neun Tage zugedacht war. Darauf sprach er zu sich selbst:
»Nun bin ich richtig satt! Und kaum kommt nun ein Mann daher, mit
dem ich mich nicht zu schlagen traute!«
Da kam der große Wurm.
Da sagte er: »Mir scheint, mein Wunsch wird erhört! Jetzt
werde ich meine Stärke erproben!«
Er sprang zum Feuer, griff einen großen Brand und schlug den
Wurm aufs Haupt, dass er taumelte; dann schlug er einen Hieb nach dem andern,
bis der Wurm tot war. Darauf nahm er seine Axt und hieb ihm das Haupt ab.
Nun setzte er sich nieder und ruhte sich aus und war da ganz müde.
Es ging bald auf Abend, so dass es ihm zum Heimkommen nicht mehr reichen
würde, und er wusste nicht, was er zum Essen nehmen sollte. Er hängte
seinen Kessel über das Feuer und hieb ihn voll mit dem Fleisch des
Wurms. Als das gesotten war, steckte er die Hand in den Kessel und wollte
das Gesottene schmecken. Es brannte ihm auf den Fingern. Da steckte er
die Hand in den Mund, und die Brühe lief die Kehle hinunter. Da verstand
er sogleich die Vogelsprache.
Dort saßen zwei Vögel auf einem Zweig.
Der eine sagte: »Besser möchte der Mann heimfahren und Mime
erschlagen; denn der schickte ihn in den Tod.«
Es war da ein Tropfen vom Blute des Wurms auf seiner Hand, den konnte
er nicht wegwischen; denn er war so hart wie Horn. Und da fuhr er aus seinen
Kleidern und sielte sich ganz in dem Blut des Wurms. Ein Ahornblatt lag
zwischen seinen Schultern, deshalb kam dahin kein Blut. Da wurde er hart
wie Horn, nur nicht dort, wo das Ahornblatt gelegen hatte.
159.
Dann ging er heim und hatte des Wurmes Haupt in seiner Hand.
Das ersah Ekki, ging zu Mime und sagte, Sigfrid käme und hätte
des Wurmes Haupt. »Und ich weiß keinen Rat, als in den Wald
zu laufen, wer das kann! Er ist jetzt so schlimm zornig: wären wir
nun auch mehr als zwölf, er würde doch unser aller Tod.«
Sie liefen alle zum Wald außer Mime allein. Der ging Sigfrid
entgegen und hieß ihn willkommen.
Sigfrid sagte: »Du sollst nicht willkommen sein! Dieses Haupt
sollst du abnagen wie ein Hund!«
Mime antwortete: »Ich will gerne abbüßen, was ich
gegen dich verbrochen. Ich will dir einen Helm geben, Schild und Brünne,
welche die besten aller Waffen sind. Ich hatte sie für Herding gemacht,
König von Nogard. Ich will dir einen Hengst geben, der Grane heißt,
der ist gezogen in Brünhilds Gestüt; und ein Schwert will ich
dir geben, das Gram heißt, das ist aller Schwerter bestes!«
Sigfrid antwortete: »Lass mich die Waffen sehn!«
Mime ging und holte die Waffen. Er gab ihm zuerst Beinwaffen, dann
eine Brünne. Sigfrid wappnete sich so gut er nur konnte. Dann setzte
er den Helm auf sein Haupt und hängte den Schild an seinen Hals. Darauf
reichte ihm Mime das Schwert. Sigfrid zog das Schwert und gab ihm den Todesstreich.
160.
Nun ging Sigfrid davon und erfragte den Weg zu der Jungfrau, die Brünhild
hieß.
Dort ging der Hengst, den Mime ihm gab. Er kam in einen Wald, dort
fand er ein Schloss vor sich. Er ging zum Tor, und das Tor war verschlossen.
Da schlug er das Tor ganz in Stücke und ging so hinein in die Burg.
Da kamen ihm sieben Torwächter entgegen und wollten ihn töten.
Sigfrid zog sein Schwert und schlug sie alle zur Hel. Da liefen Ritter
und Knappen zu ihren Waffen und wollten ihn erschlagen. Er wehrte sich
wacker. Das bekam die stolze Brünhild zu wissen.
Sie sagte: »Ich weiß, was für ein Mann das ist! Das
ist Sigfrid, Sigmunds Sohn! Hätte er sieben meiner Ritter erschlagen,
wie er jetzt sieben meiner Knechte erschlug, er sollte mir gleichwohl willkommen
sein!«
Sie ging zu ihren Rittern und Knappen und wies sie an, sich nicht länger
mit ihm zu schlagen.
Sie fragte da, wer er wäre.
»Ich heiße Sigfrid!«
Sie fragte, aus welchem Geschlecht er geboren wäre. Er sagte,
er wüsste nichts davon.
»Weißt du das nicht mir zu sagen, so will ich dir das sagen:
Dein Vater heißt Sigmund-König; deine Mutter heißt Sissibe.
Du sollst mir willkommen sein! Wohin dachtest du?«
»Hierher!« sagte er, »Mime, mein Pflegevater, hieß
mich hier einen Hengst holen, der Grane heißt. Willst du mir den
gönnen? Das ist meine Bitte an dich.«
»Kannst du ihn fangen, ich will ihn gerne dir geben und dir behilflich
sein, wo ich kann!«
Nun schickte sie viele Leute, den Hengst zu holen, die waren draußen
einen ganzen Tag und konnten ihn nicht kriegen.
Am anderen Tag schickte sie zwölf Männer, den Hengst zu holen,
die konnten ihn ebenso wenig fangen. Da bat Sigfrid, ihm das Zaumzeug zu
geben. Er ging nun zu dem Hengst, der Hengst ging ihm entgegen; dann legte
er Sattel und Zaumzeug dem Hengste auf, dankte der stolzen Brünhild
und ritt davon, was er konnte, zu einem Land, das Bertanga-Land heißt.
Dort war ein König, der Isung heißt, der hatte elf Söhne.
Sigfrid sagte ihm seine Dienste an. Der König nahm ihn in seinen Rat
und ließ ihn sein eigenes Banner tragen, so oft er kämpfen wollte.
161.
Ein König hieß Aldrian und herrschte über
Nöfflungeland; seine Frau war Yrian Königs Tochter.
Einmal war sie trunken, als der König nicht daheim war in seinem
Reiche, und war eingeschlafen in ihrem Grasgarten. Da kam zu ihr ein Mann
und hatte Liebschaft mit ihr; und als sie erwachte, dachte sie, das wäre
Aldrian König gewesen. Indessen war der Mann verschwunden.
Bald danach wurde die Königin schwanger; indem kam ein Mann zu
ihr und sagte: »Mir gehört das Kind zu, mit dem du gehst, und
ich bin ein Elff. Wächst das Kind auf, dann sage ihm seinen Vater,
doch keinem Andern! Ich meine, das wird ein Knabe, und oftmals steht er
in Not, ein mächtiger Mann für sich. Jedes Mal, gerät er
in Not, und weiß er sich keine Hilf', da ruf er den Vater sein, der
hilft ihm, so oft er's bedarf.«
Indem verschwand der Elf wie ein Schatten.
Danach gebar die Königin einen Knaben und nannte ihn Hagen, Sohn
König Aldrians. Als er 4 Jahre alt war, ging er zum Spiel mit Knaben.
Er war hart und stark und übel im Umgang. Darum wurde ihm das vorgeworfen,
denn er war von Antlitz eher ein Troll als ein Mensch.
Darüber erzürnte er sich und ging zu einem Spiegel und sieht
sein Abbild. Da sah er sein Antlitz garstig und so bleich wie Asche, groß
und grimmig. Darauf ging er zu seiner Mutter und fragte, warum er so beschaffen
wäre. Sie sagte ihm die ganze Wahrheit, wer sein Vater war. Da stand
eine Frau nah bei und hörte es, die später Didriks von Bern Freundin
war. Die sagte ihm das im Vertrauen, und dadurch kam viel Streit.
König Aldrian hatte danach mit seiner Gattin drei Söhne und
eine Tochter; sein ältester Sohn hieß Gunnar, der zweite Gernholt,
der dritte Gyntar (Mb: Gilser; abschriftlich nachfolgend: Gislher);
deren Schwester hieß
Crimilla (abschriftlich nachfolgend: Grimhild).
Als Aldrian-König starb, bekam sein ältester Sohn Gunnar
sein Reich und Königtum.
162.
König Didrik ließ richten ein großes Gastmahl sich
und seinen Mannen zur Freude, und lud dazu ein alle die Obersten, die in
seinem Reiche waren, Fürsten und andere Edelleute.
Da wurde ihm gesagt von einem mächtigen Kämpen, der hieß
Gunnar, König Aldrians Sohn.
Daraufhin bat er ihn zu Gast, und seine Brüder Gernholt und Hagen.
Sie kamen dorthin, und sie wurden wohl empfangen. Dann saßen Didrik,
Gunnar und Hagen, Hillebrand und Hornboge-Jarl alle auf einer Bank, und
zu seiner linken Hand saßen Wideke, Amlung, Detzlef der Däne,
Stolzer Fasold, Sintram von Wenden, Wildefer, Herr Brand der Weitgereiste
und Heim der Grimme.
Da sagte jedermann, dass niemals solche Kämpen zusammenkamen zur
gleichen Zeit und in einem Haus...
173.
Gunnar-König hatte lockiges Haar, lockigen Bart und weißblond,
breite Schultern, war groß und stark gewachsen und der beste Ritter,
mannhaft, wenn er zu Rosse saß. Er konnte auch gut umgehen mit Schild
und Spieß und Schuss. Er war hitzigen Sinnes und unbesonnen, grimm
gegen seine Feinde, sonst fröhlich und freundlich.
Auf seinem Schild stand ein gekrönter Adler, den hatte er auf
all seinem Gewaffen. Denn er war geboren aus Königsgeschlecht, wie
der Adler König ist über alle Vögel. Deutlich ist er kenntlich,
wo er reitet, an seiner Ritterschaft.
174.
Sein Bruder Hagen hatte schwarzes Haar, große Nase, tiefhängende
Brauen und bleichen Bart. Sein Antlitz war auch bleich und grimmig. Er
hatte ein schwarzes Auge. Er war groß und kräftig. Wenn er in
seiner Rüstung war, war er grimm und schmuck. Er war stark und der
beste Ritter, gerne mochte er kämpfen. Er war verständig, klug
und wortkarg. Er hatte ein starkes Herz, war ausdauernd und geradezu. Er
hatte gleiches Wappen wie Gunnar, sein Bruder. Sein Schild war silbern.
Damals war es Brauch, dass niemand einen silbernen Schild trug, der nicht
aus Königsgeschlecht geboren war. Er führte auch einen Adler,
doch ohne Krone.
176.
Gernholt hatte das gleiche Wappen wie sein Bruder König Gunnar
und Hagen. Er war rasch in allen Spielen, so dass man wenig ihm gleich
fand.
177.
Diese saßen alle bei König Didrik, alle auf einer Bank.
König Didrik sah nach beiden Seiten und sagte zu ihnen: »Große
Macht ist hier zusammengekommen mit diesen teuren Helden. Welcher Mann
möchte so kühn sein, dass er es wagte, hiergegen anzugehen? Hier
sitzen nun dreizehn Männer. Wären die in Waffen und säßen
auf ihren Rossen, dann möchten sie wohl in Frieden durch alle Welt
reiten, so dass sie niemals ihresgleichen fänden, und keiner wäre
so kühn, dass er sich traute, einen Spieß gegen sie zu recken.
Wäre auch einer so kühn und unklug, dass er nicht fürchtete
unsre große Macht, unsere scharfen Schwerter und harten Helme, starke
Brünnen und Schilde und raschen Rosse, die grimm sind wie sonst Löwen,
und wohl es wagen, Leute zu erschlagen, wenn sie im Kampf sind; dann würde
er nicht mehr lange leben.«
Da antwortete Brand, der Weitgereiste: »Halt, Herr! Rede nicht
so! Du weißt nicht, was du sagst! Du bist noch ein Kind und redest
mehr aus Übermut als aus Erkenntnis! Du lässt keinen dir gleich
sein noch deinen Mannen!
178.
(Brand sagt weiter:)
Ich will dir sagen von einem Lande, das heißt Bertanga; darüber
herrscht ein König, der Isung heißt. Er ist der tüchtigste
Mann, der in allen Landen zu finden ist. Er hat elf Söhne, und jeder
von ihnen ist stark wie sein Vater. Er hat einen Bannerführer, der
heißt Jungherr Sigfrid, der ist der größte Kämpe,
den man finden kann, beides, im Einzelkampf wie im Heerkampf. Seine Haut
ist hart wie Horn. Er ist so stark, er bände uns wohl alle zusammen,
wenn er hier wäre. Er hat kein schlechteres Schwert, als du es hast,
Herr, das heißt Gram. Sein Ross heißt Grane, das ist Falkes
Bruder, Schlimmlings und Rispas. Gram ist ein so gutes Schwert, es kann
Helme spalten und Männerknochen zerscheren.
Sigfrid hat goldlockiges Haar und Bart, breites Antlitz und groß.
Seine Augen sind so grimm, dass wenige Männer wagen hineinzusehen,
wenn er in Zorn ist.
»...Er hatte so breite Schultern wie sonst drei Männer,
und entsprechend war er hoch. Sigfrid war so groß, dass, wenn er
in einem Roggenfeld ging, das reif war, und hatte sein Schwert an der Seite,
da rührte die Spitze ganz oben an die Roggenähren...«
Er weiß wohl mit dem Schwert zu schlagen, mit dem Speer zu stoßen
und den Bogen zu spannen, und jede Art Kampfspiel versteht er gut. Er sitzt
auch fest in seinem Sattel. Er kennt auch die Vogelsprache. Er redet allezeit
kühn. Es war seine Sitte, zu Kampf zu reiten und Gold und Geld zu
gewinnen. Das gab er dann seinen Freunden, so freigebig war er.
Sein Schild ist von roter Farbe; darin steht ein Drache, halb braun
und halb rot. Dies Zeichen war auf all seiner Rüstung. Er führt
deshalb den Drachen, weil er den großen Drachen erschlug, Mimes Bruder.
Zählte man alle Kämpen auf, man fände doch niemals Seinesgleichen.
Sein Name wird vielerorts genannt, im Norden und im Westen, vorm Griechenmeer,
über alle Welt!
»Und das glaube mir, Herr,« sagte Herr Brand, »kommst
du in Kampf mit ihm, dann wirst du selber sehen, dass du niemals in größere
Not kamst und auch keiner deiner Mannen, den es gelüstet, dahin zu
fahren!«
179.
Der König entgegnete mit großem Zorn: »Ist es so,
wie du sagst von diesem mächtigen König und seinen Söhnen
und von dem rüstigen Bannermeister, dem du so großen Preis gibst,
dann gehe nun stracks und waffne dich und steig auf dein Ross und nimm
mein Banner in deine Hand, und ich und meine Kämpen werden dir folgen.
Reite du voran nach Bertangaland! Ich werde nicht mehr schlafen in meinem
Bette zu Bern, ehe ich erproben werde, ob jene stärker sind als wir!«
Herr Brand waffnete sich gleich und setzte sich auf sein Ross in all
seinem ritterlichen Schmuck. Er hatte des Königs Banner in seiner
Hand.
Er ritt vor Didrik-Königs Saal und rief laut: »Du mächtiger
König Didrik von Bern, willst du reiten ins Bertangaland, nun bin
ich bereit, dir den Weg zu weisen.«
180.
Da ging Didrik zu seinem Roß und sprang in den Sattel ohne Steigreif.
Das machten auch mehrere seiner Kämpen. Brand reitet nun vor ihnen,
Didrik-König hinter ihm selb-zwölft.
Sie ritten durch große Wälder und Heiden, wo König
Didrik niemals vorher gewesen war. Sie kamen zu einem großen Wald,
der nennt sich Bertanga-Wald.
Da wandte Brand sein Ross und sagte zum König: »In diesem
Wald liegt ein großer Riese, der Edger heißt, Bruder Widulfs
und Asplians. Er liegt hier zur Landwacht auf des Königs Weg, wovon
ich euch gesagt habe. Wir haben keinen anderen Weg als durch diesen Wald,
wenn du Isung-König finden willst. Dieser Riese ist so stark, ich
glaube, es gibt Seinesgleichen nicht. Reite nun vor, wer da will! Ich will
nicht durch den Wald reiten, außer wir reiten alle zusammen!«
Da antwortete Wideke Welands-Sohn: »Der König mag hier zurück
bleiben und ihr alle; ich will in den Wald reiten und den Riesen um Erlaubnis
bitten, dass wir weiter ziehen können. Man hat mir gesagt, wir wären
verwandt. Deshalb kann es sein, dass er uns erlaubt, vorwärts zu reiten.
Will er nicht, dann reite ich rasch zu euch zurück.«
Der König sagte, das wäre ein guter Vorschlag.
181. bis 183.
(Widekes Kampf mit dem Riesen und eine Einlage, wie Wideke
Didrik und seine Gefährten erschreckt, indem er ihnen weismacht, der
Riese sei hinter ihm her. Allein Didrik hält stand.)
184.
Nun ritten sie durch den Wald hindurch. Da sahen sie hoch oben auf
einem Berg eine Burg stehen. Dort schlugen sie ihre Zelte auf, draußen,
dicht vor dem Schloss.
Jungherr Sigfrid stand auf der Zinne und sah diese Neuigkeit.
Er ging hinein vor den König und sagte zu ihm: »Ich sah
eine Neuigkeit, die, wie mir scheint, groß ist und nicht klein! Hier
ist ein Zelt aufgeschlagen draußen vorm Schloss, und ich habe ein
solches vorher noch nicht gesehen. Dort steht oben darauf ein großer
Knopf aus Gold. Und dort steht ein zweites Zelt und ist rot, und ist auch
ein goldener Knopf darauf. Das dritte Zelt ist grün. Noch stehen dort
zwei Zelte, die sind beide weiß, und goldene Knöpfe darauf.
Ich glaube, keiner hat kostbarere Zelte gesehen. Außen vor dem ersten
Zelt hängen dreizehn Schilde.«
185.
Der König sagte: »Kennst du welche von den Schilden?«
»Ja,« sagte Sigfrid, »ich meine, ich sollte sie kennen.
Dort hing ein blauer Schild, und es stand ein Hengst darin. Das führt
Heim der Hochmütige.
Auf dem zweiten Schild stand ein goldener Hauk (Falke),
und zwei Vögel fliegen vor ihm. Das ist einer meiner Verwandten: ich
vermute, das ist Hornboge-Jarl.
Auf dem dritten Schild stehen Hammer und Zange und drei Karfunkelsteine.
Das führt Wideke Welands-Sohn.
Auf dem vierten Schild steht auch ein Löwe von Gold mit Krone,
den führt Didrik von Bern.
Auf dem fünften steht ein goldener Adler mit Krone, den führt
Gunnar-König.
Auf dem sechsten Schild steht auch ein Adler, den führt Held Hagen.
Auf dem siebenten Schild steht ein leuchtendes Feuer, den führt
Brand, der Weitgefahrene.
Auf dem achten Schild steht ein Löwe ohne Krone; den führt
Fasold der Stolze.
Auf dem neunten Schild steht ein Drache, braun und rot; den führt
Sintram von Wenden.
Auf dem zehnten Schild steht eine Burg, gestaltet wie Bern; den führt
Meister Hillebrand.
Auf dem elften Schild steht ein Eber und ein Bär; den führt
Wildefer.
Auf dem zwölften Schild steht ein Elefant; den führt Detzlef
der Däne.
Auf dem dreizehnten Schild steht ein Hauk, den führt Gernholt,
Hagens Bruder.«
»Nun glaube ich,« sagte Sigfrid, »dass fremde Kämpen
in unser Land gekommen sind, welches Anliegen sie auch haben. Lasst mich
reiten, Herr, und erfahren, wer sie sind, die so kühn ihre Zelte aufgeschlagen
haben vor eurem Schloss, und so hochmütig sind, ohne euren Willen
in unser Land zu kommen!«
Der König sagte: »Ich will keinen geringeren Mann senden
und Zoll und Schatzung von ihnen fordern, wie es alter Brauch ist, wenn
sie ihr Leben behalten wollen.«
Sigfrid sagte: »Dahin soll keiner reiten als ich!«
(Hornboges Sohn Amlung, der ebenfalls König Didrik
begleitet, wird in diesem Kapitel nicht erwähnt.)
186.
Er nahm sich Waffen und schlechte Kleider und ein geringes Pferd und
ritt vom Schloss ohne Sattel, als wäre er ein schlichter Bursche.
Als er vor das Zelt kam, stieg er von seinem Pferd und ging hinein
vor die Herren und Fürsten und sagte: »Heil sei euch, ihr guten
Helden! Ich grüßte euch gerne mit jedem eurer Namen, wenn ich
wüsste, wie ihr heißt.«
Sie antworteten und hießen ihn willkommen.
Sigfrid fragte: »Wollt ihr irgend Schatzung entrichten, wie hier
ein altes Gewohnheitsrecht ist? Ganz gewiss will ich Königs-Schatzung
von euch haben. Wollt ihr das nicht im Guten geben, so verliert ihr darüber
Leben und Gut und alles, was ihr mit euch führt!«
König Didrik antwortete: »Wir kommen nicht deshalb hierher,
um diesem König Schatzung zu geben. Mein Anliegen ist: ich will mit
ihm kämpfen! Und bevor wir uns scheiden, soll er sagen: Helden haben
ihn heimgesucht.«
Sigfrid antwortete: »Mit einer Erlaubnis will ich euch fragen:
was sind eure Namen, und woher seid ihr gekommen? Ihr habt getan, was keiner
zuvor zu tun sich traute: meinem Herrn Kampf zu bieten in seinem eigenen
Land. Habt ihr nicht gehört, was für ein mächtiger Mann
er ist? Gleichwohl wagt er, mit euch zu kämpfen. Nicht kümmert
er sich darum, was für Männer ihr seid.«
Da antwortete Wideke Welands-Sohn: »Unser Anführer ist König
Didrik von Bern. Ihm folgt ein König von Nyfflungenland (Niflungenland),
der heißt Gunnar-König. Hier sind noch mehr rasche Helden, wenn
ich sie auch nicht nenne. Doch was denkst du: werden Isung-König und
Jungherr Sigfrid es wagen, mit uns zu kämpfen?«
Sigfrid antwortete: »Nicht wird Isung oder Sigfrid vor euch weichen
in seinem eigenen Land, wenn ihr auch aus Bern gekommen seid. Wie das auch
gehen mag, so gebt immer dem König seine Schatzung, die ihr ihm mit
Recht pflichtig seid! Ihr mögt das wohl billigerweise tun, das ist
euch keine Schande, und ihm ist es eine Ehre.«
König Didrik antwortete: »Weil du deinen Auftrag so wacker
vorträgst, werde ich ihm gewisslich Schatzung senden. Er soll eins
unsrer Rosse haben und einen unsrer Schilde! Darum wollen wir mit einem
Würfel werfen, wer es hergeben soll!«
Sie warfen mit Würfeln. Da traf es Amlung, Hornboges Sohn. Sie
nahmen sein Ross und Schild und gaben sie Jungherrn Sigfrid.
Er ritt den nächsten Weg zum Schlosse hin.
187.
Amlung reute sein gutes Ross sehr.
Er sagte zu Wideke Welands-Sohn: »Leihe mir Schimmling, dein
Ross, ich will hinter ihm herreiten!«
Wideke antwortete: »Ist das der Mann, wie ich denke, so bekommst
du dein Ross nicht wieder, und du magst noch eins dazu verlieren!«
Amlung antwortete: »Verliere ich dein Ross, dann sollst du mein
ganzes Reich besitzen, das sind zwölf Schlösser im Wendland.
Die gab mir mein Vater, und du sollst sein Erbe sein, und nicht ich, wenn
du dein Ross nicht wiederbekommst. Ich werde entweder mein Ross kriegen
oder den Tod erleiden!«
Wideke gab ihm da sein Ross Schimmling.
Amlung steigt auf Schimmlings Rücken und reitet hart hinter
Sigfrid her.
(Alte Überschrift?)
Als er ihn erblickte, rief er und bat ihn zu warten und sagte: »Ich
will mein Ross zurück, ich habe weit nach Hause zu reiten!«
Sigfrid antwortete: »Was für ein Mann bist du? Warum sprichst
du so kühn über dies Ross? Ich denke, du kriegst es niemals wieder!«
Amlung sagte: »Steig schnell von meinem Ross herunter, oder du
sollst nun dein Leben lassen!«
Da erkannte Sigfrid Amlung und wusste, dass es sein Blutsfreund war.
Sigfrid sprach da zu ihm: »Ich sehe, du willst dich um dieses
Ross mit mir schlagen. Hier triffst du wohl den Mann, der sich traut, mit
dir zu kämpfen; doch will ich das nur notgedrungen tun. Fährst
du von mir mit Freundschaft und Liebe, dann wirst du dein Ross besser bekommen.
Schlägst du dich mit mir, dann verlierst du auch das, auf dem du sitzest!«
Amlung sagte: »Ich werde mit dir kämpfen, gehe es dann,
wie es mag!«
Sigfrid antwortete: »Renne nur mannhaft auf mich los; ich will
nun ruhig vor dir halten.«
188.
Amlung schlug sein Ross mit den Sporen und sprengte zu mit aller Macht.
Er stach Sigfrid auf seinen Schild, dass das Ross sich dabei nieder in
die Fesseln bog und die Glaffe (Lanze) entzwei sprang.
Sigfrid sagte: »Wacker war das zugeritten von einem jungen Mann,
und es kann sein, dass du solche Blutsfreunde in deinem Geschlecht hast,
die sich wohl auf Ritterschaft verstehen. Steige nun ab von deinem Ross
und gürte es fester und rüste beide, es und dich, so gut du nur
kannst. Du hast dabei alles nötig, wenn du dein Ross nicht verlieren
sollst!«
Amlung tat, wie er es angab. Da schlug Sigfrid sein Ross mit den Sporen
und stach mit seinem dicken Spieß mitten auf Amlungs Schild und warf
ihn weit hinunter.
Darauf nahm Sigfrid Schimmling und sagte zu Amlung: »Noch hast
du dein Ross nicht gewonnen, und verloren hast du das Ross, auf dem du
hierher rittest, das dich viel Gut gekostet hat, wenn es so ist, wie ich
glaube, dass dies Schimmling ist, Widekes Hengst. Und nun wirst du Feindschaft
von ihm erfahren. Wärst du meinem Rat gefolgt, dann wäre das
nicht so gegangen!«
Amlung antwortete: »Es kann hier noch Gutes daraus werden, wenn
es bisher auch übel gegangen ist.«
Sigfrid sagte: »Was willst du mir dafür geben, wenn du dein
Ross wiederbekommst, und das dazu, welches du jetzt verlorst?«
Amlung antwortete: »Dafür will ich alles geben, was ich
kann, und was mir keine Schande ist und meinen Blutsfreunden.«
Sigfrid sagte: »Ich fragte dich vorhin danach, welches dein Name
wäre. Da warst du so verwegen, dass du mir das nicht sagen wolltest.
Nun sollst du es mir sagen, wenn du dein Ross zurückhaben willst!«
Amlung antwortete: »Hätte ich dir meinen Namen gesagt, als
ich auf meinem Ross saß mit meiner Wehre, dann hätten meine
Blutsfreunde gesagt, ich wäre bange vor dir. Ich kaufe keine Rosse
und nicht Geld und Gut damit, dass ich in Verruf komme unter Edelleuten!«
Sigfrid antwortete: »Ich will dich nicht danach fragen. Ich weiß
das gleichwohl, dass du Herrn Hornboges Sohn bist, mein Blutsfreund. Ich
will dir lieber Ruhm verschaffen als Schande. Darum will ich dir meinen
Namen zuerst sagen: Ich heiße Jungherr Sigfrid.«
Amlung antwortete: »Nachdem du mir deinen Namen gesagt hast,
und trieb dich keine Not dazu, so will ich dir nun meinen Namen sagen,
wenn du mir das schwören willst, dass ich davon keine Schande habe.«
Sigfrid sagte: »Du wirst keine Schande davon haben!«
»Dann heiße ich Amlung, Hornboges Sohn, und bin dein Blutsfreund!«
Sigfrid antwortete: »Ich werde so fliehen, dass du Ruhm gewinnst
durch diese Fahrt.«
Nun stieg Sigfrid von seinem Ross und sagte: »Lieber Blutsfreund,
nimm nun beide Rosse und reite damit heim und sage, dass du sie von mir
gewannst. Du sollst mich zuerst an diese Linde binden, die hier steht.
Nimm dann meinen Speer mit dir und meinen Schild und mein Ross mit dir
fort!«
Amlung tat, wie er angab. Er band ihn an die Linde mit einem Schildriemen.
Dann nahm er die Rosse und ritt zu seinem Herren zurück.
189.
König Didrik steht draußen vor dem Zelt.
(Alte Überschrift)
Er sagte: »Nun kommt Amlung mit seinem Ross. Wäre das Jungherr
Sigfrid gewesen, dann hätte er es nicht so schnell gewonnen, wenn
er ihm nicht gesagt hat, dass er sein Blutsfreund war, und Sigfrid ihm
so das Ross wiedergegeben hat. Niemals nahm er das Ross von Jungherr Sigfrid
ohne dessen Willen!«
Nun stieg Amlung vom Ross. Sie fragten, wie er sein Ross wiederbekam.
Amlung antwortete: »Ich stach ihn zu Boden und gewann mein Ross
von ihm. Mein Spieß ging entzwei, und was heil war, schoss ich auf
ihn. Dann band ich ihn an eine Linde, und so ritt ich von ihm, und er steht
jetzt noch dort angebunden.«
Da riefen alle: »Du hast dein Ross wacker zurückgewonnen!«
Wideke sagte zu König Didrik: »Ich will dahin reiten, wo
der Mann gebunden liegt. Ist das Jungherr Sigfrid, dann ist das mit Absicht
gemacht, dass er sich binden ließ!«
König Didrik hieß ihn reiten.
Wideke sagte: »Das ist eine Schande, dass der Mann dort gebunden
liegen soll! Ich will hin und ihn lösen!«
Darauf ritt er dahin. Das ersah Sigfrid, dass Wideke kam. Da zerriss
er die Fesseln und ging schnell zum Schloss. Er wollte Wideke nicht erwarten.
Als Wideke zum Baum kam, lagen dort die Fesseln zerrissen und der Speer
zerbrochen.
Da ritt Wideke heim und sagte König Didrik, dass es wahr war,
was Amlung sagte, und er wusste das Richtigere nicht.
190.
Nun kam Sigfrid hinauf in die Burg und sagte zu Isung-König: »Ich
war bei den edlen Herren. Dort fand ich dreizehn Kämpen, die sehr
vornehm sind. Ihr Anführer ist König Didrik von Bern. Wir haben
von ihnen gehört; nun bekommen wir zu wissen, welcher Art sie sind;
denn König Didrik entbot dich zum Kampf selb-dreizehnt, wie auch er
es ist, und er sandte dir ein Ross, das gab ich meinem Freund, den ich
unterwegs traf.«
König Isung antwortete: »Fordert er mich zum Kampf, das
will ich ihm freudig gewähren und werde nicht damit zögern!«
191.
Am Morgen danach stand Isung-König auf und wappnete sich mit seinen
elf Söhnen. Jungherr Sigfrid war der Dreizehnte. Sigfrid nahm des
Königs Banner und ritt vor ihm, Isung-König folgte dahinter und
dann seine Söhne. Sie hatten schöne Schilde, blanke Brünnen
und Helme glatt wie Glas. Sie hatten scharfe Schwerter, starke Speere und
große, wohlgewappnete Rosse. Sie waren auch selber stark, und jeder
von ihnen hatte ein mutiges Herz.
Als sie vor das Zelt kamen, sagte Isung-König zu König Didrik:
»Bist du ein so untadeliger Kämpe, wie man sagt, und hast mich
herausgefordert zum Kampf, so wappne dich schnell, komme heraus gegen mich
selb-dreizehnt und lass uns erproben, wer die besseren Helden sind!«
König Didrik antwortete: »Zweifle nicht daran! Deshalb bin
ich ja solch langen Weg geritten, weil ich mit dir kämpfen wollte
und erproben, ob du schärfere Schwerter hast oder härtere Helme,
als wir haben!«
Isung und seine Söhne stiegen von ihren Rossen. Herr Didrik wappnete
sich schnell und ging zu ihm. Sie stellten je zwei und zwei zusammen und
gelobten, es sollte keiner dem anderen helfen.
192. bis 198.
(Nacheinander kämpfen nun Isungs Söhne gegen
die Kampfgefährten von Didrik.
Allerdings gehen die ersten fünf Kämpfe allesamt
für die Berner verloren:
Heim wird besinnungslos geschlagen.
Herr Brand erhält fünf stark blutende Wunden.
Wildefer hat großen Blutverlust wegen sieben starker
Wunden.
Sintram mit seinem Schwert von Siegen-Wendener Schmiedekunst
bringt seinem Gegner drei Wunden bei, wird aber von ihm mit dem Schild
niedergeschlagen und entwaffnet.
Fasold wird ebenfalls besinnungslos geschlagen. Er darf
zwar nach einer Pause den Kampf fortsetzen, wird aber schließlich
besiegt.
Die Verlierer sind an Spießschäfte zu binden.
Der zeitgenössische Chronist bemerkt: 'Fünf
Spießschäfte standen in der Erde. Isungs Mannen sind nun froh,
denn sie haben viel Sieg gewonnen.'
Amlung stellt fest (Sv 197): »Das war eine böse
Stunde, als Didrik König hierher kam, wenn er selbst und alle seine
Mannen hier sollen gebunden werden! Er wäre besser daheim in Bern
geblieben und hätte sein Land verwaltet!«
Der Sieg von Amlung – für den Fasold und Herr Brand
ausgelöst werden müssen – ist eine Ausnahme für die Berner,
denn Sigfrid (sein Vetter) hatte für ihn den weichherzigsten Königssohn
ausgesucht.
Hornboge, der Vater von Amlung, verliert seinen Zweikampf
wegen seinem Alter und starkem Gegner.)
199.
Da ging vor Held Hagen. Gegen ihn kam der achte Königssohn. Sie
schlugen sich mannhaft. Einer hieb auf des Anderen Helm, dass das Feuer
davonflog. Wäre es dunkle Nacht gewesen, wie es da Tag war, man hätte
gut sehen können von dem Feuer, das von ihren Helmen flog. Keiner
wollte dem Anderen weichen. Da hieb der Königssohn auf Hagen und brachte
ihm drei große Wunden bei. Dadurch fiel Hagen und wurde an seinen
Spießschaft gebunden. Der Königssohn ging zu seinem Vater und
sagte, es sollte so Mehreren gehen.
200. bis 201.
(Detzlef der Däne hat lange gegen den neunten Königssohn
zu kämpfen. Erst der nächste Tag wird die Entscheidung zu Gunsten
des Dänen bringen, der dann Hagen lösen lassen wird.
Die Verlierer müssen die Nacht an ihren Spießen
gebunden verbringen.
Meister Hillebrands Schwert zerbricht im Kampf mit dem
zehnten Königssohn.)
202.
Da ging vor König Gunnar von Niflunga-Land. Ihn traf König
Isung. Die beiden Könige stritten mannhaft; keiner wollte vor dem
Anderen weichen, doch war König Isung vielmals stärker. Da ergrimmte
Isung König darüber, dass er den Sieg nicht so schnell gewinnen
konnte, wie er wollte. Er hieb auf König Gunnars Helm; der war so
hart, dass das Schwert in zwei Stücke brach. Da nahm Isung ein Stück
von einem Spießschaft, an den Hagen gebunden gewesen war, und schlug
so auf König Gunnars Helm, dass der stürzte, und Blut ihm aus
Nase und Mund sprang. Darauf band Isung ihn und ging so von ihm und sagte,
dieser Mann hätte seine Sendung hierher gut erfüllt.
203.
(Wideke besiegt mit seinem legendären Schwert Mimung
den stärksten Königssohn, verliert aber die Kontrolle über
sich selbst:
Er droht mit der Enthauptung des Besiegten, wenn nicht
sofort alle Berner gelöst werden. Isung will aber nur einen Mann freigeben
und bleibt hart. Nun läuft Wideke wie im Wahn zu seinen gebundenen
Gefährten, zerschlägt ihre Spießschäfte, rennt anschließend
zu seinem Gegner um ihn zu töten. Daran hindern ihn jedoch König
Isung und Sigfrid auf Didriks Bitten. Gernholts Rolle beschränkt sich
auf das Zuschauen, denn er kämpft nicht.)
204.
Nun nimmt König Didrik sein Schwert Ekkisax.
(Alte Überschrift)
Er ging vor auf den Kampfplatz vor allen seinen Mannen. Jung-Sigfrid
ging gegen ihn und hatte sein Schwert Gram in Händen. Sie begegneten
sich kühnlichst und schlugen sich mit großer Kraft und keiner
schonte den anderen. Sie schwangen ihre Schwerter einer über des anderen
Haupt mit großem Ingrimm. Von ihren Schlägen ging solch ein
Getöse aus, dass ihre Freunde um beide bangten. Das war ein ingrimmiger
Kampf!
Sie schlugen sich einen ganzen Tag. Als es dunkelte, nahm Isung-König
seinen Schild und Wideke einen andern, gingen dazwischen und trennten sie.
Isung ritt heim mit seinen Mannen, und sie waren den Abend ganz vergnügt.
205.
Am Morgen früh kam Isung zurück.
Sie begannen ihren Kampf aufs neue, Herr Didrik und Jung-Sigfrid. Sie
schlugen sich mit höchstem Mut, bis sie beide ermüdet waren.
Sie ruhten sich eine kurze Weile aus, dann traten sie gegeneinander an
und schlugen sich. Sie hatten so gute Rüstungen, dass keiner von ihnen
wund wurde. Sie schlugen sich den ganzen Tag so lange, bis die Nacht sie
trennte.
Isung ritt zum Schloss, und Didrik blieb im Zelt.
206.
Wideke sprach zu Didrik: »Wie ist dir zu Mute, Herr? Ich glaube,
du hast mit einem untadeligen Mann zu kämpfen. Doch kann keiner sehn,
wer von euch gewinnen mag, und noch keiner von euch ist wund!«
Didrik antwortete: »Ich weiß nicht, wie das zugeht. Er
hat eine so harte Haut, dass mein Schwert nicht darauf einbeißt.
Sie ist härter als jede Brünne. Willst du mir dein Schwert Mimung
leihen? Ich meine, das beißt in seine Haut, und er fürchtet
sich sehr vor diesem Schwert. Ich musste ihm heut einen Eid schwören,
dass Mimung nicht in meiner Hand war!«
Wideke entgegnete: »Darum darfst du mich nicht bitten! Mimung
war noch nie von mir fort, außer als Heim es mir wegnahm, und das
soll nicht öfter geschehen!«
Der König erwiderte voller Zorn: »Du hältst mich nicht
für besser als meinen Stallbursch? Nun werden wir niemals mehr gute
Freunde!«
Wideke antwortete: »Habe ich etwas Übles gesagt, so will
ich das damit büßen, dass ich dir das Schwert leihen will, so
dass niemand es wisse außer uns Zweien allein; und es werde dir zum
Nutzen!«
Darauf legten sie sich nieder zum Schlafen.
207.
Am Morgen früh kam Isung mit seinen Mannen dahin. Didrik stand
mit gezogenem Schwert und hieß Sigfrid kommen.
Sigfrid antwortete: »Du sollst mir einen Eid schwören, dass
du nicht Widekes Schwert Mimung hast. Gegen dieses Schwert will ich nicht
kämpfen!«
Da schwur Didrik ihm einen Eid. Er stellte das Schwert gegen seinen
Rücken, hielt es am Heft, stieß die Spitze in die Erde hinein
und bat sich so Gott zu Hilfe: dass er Mimungs Spitze nicht über der
Erde wüsste, und nicht seinen Griff in eines Mannes Hand. Das behagte
Sigfrid wohl.
Darauf traten sie gegen einander an und schlugen sich. Herr Didrik
hieb beides, häufig und hart. Mit jedem Hieb nahm er immer ein Stück,
sei es von Helm, Schild oder Brünne. So bekam Sigfrid fünf Wunden.
Nun kam ihm in den Sinn, dass Didrik den Eid in falscher Weise geschworen
hatte, und er erkannte Mimungs Schneiden deutlich.
Da sagte er zu Herrn Didrik: »Ich will meine Waffen dir übergeben,
denn du bist ein vorzüglicher Mann. Ich habe keine Schande davon,
einem solchen Herren zu dienen, wie du es bist, lieber als dass ich mein
Leben verliere!«
So übergab Sigfrid an König Didrik seine Waffen. Didrik machte
ihn zu seinem Mann, und es schien ihm, er hätte einen tüchtigen
Mann gewonnen.
Herr Didrik und seine Mannen waren nun höchst vergnügt und
rühmten sich sehr ihrer Fahrt. Isung und seine Söhne waren ganz
unfroh, weil ihr bester Kämpe Unsieg empfangen hatte, der, an dem
sie den meisten Trost hatten.
208.
Didrik-König und Isung-König schlossen Freundschaft untereinander
und gaben einer dem anderen große Geschenke. Jung-Sigfrid gab Hornboge-Jarl
große Gaben. Es war Sigfrid zu danken, dass Isung an Amlung seine
Tochter gab, welche Walburg hieß. Sie war sehr schön. Didrik-König
trank Brautlauf, ehe er fortfuhr, das ging 5 Tage lang mit Pfeifern und
Bläsern und allerhand Reigentanz-Spielen. Dann ritt König Didrik
davon und Jungherr Sigfrid mit ihm. Amlung und seine Gattin folgten auch
mit. Sie hatte viel Gold und Silber mit sich. Didrik zog wieder desselben
Wegs. Er kam nach Bern mit allen seinen Mannen. Er wurde dort wohl empfangen.
Sein Ruhm wuchs je mehr und mehr. Sein Lob steht durch die ganze Welt,
und er kann nun ruhig in seinem Reiche sitzen, denn keiner wagte, ihm Kampf
zu bieten.
209.
König Didrik und seine Mannen haben sich in vielen Kämpfen
erprobt, so dass niemand sich traut, seinen Schild gegen sie zu erheben.
Nun zog jeder heim in sein Reich. Hornboge-Jarl zog heim nach Wendland,
Amlung und seine Ehefrau mit ihm. Sintram zog nach Wenden und wurde dort
Herzog. Brand der Weitgereiste zog auch heim in sein Reich und wurde gleichfalls
ein mächtiger Herzog.
Didrik-König und seine Kämpen, die übrig waren, ritten
ins Niflungenland mit Gunnar-König. Sie gaben Jungherrn Sigfrid die
Schwester Gunnar-Königs und Hagens, Grimhild, zur Frau und halb Niflungenland
mit ihr und tranken Brautlauf fünf Tage mit großem Preis.
210.
Da sprach Sigfrid zu Gunnar-König: »Ich weiß eine
Jungfrau, die weiseste und die schönste, die jetzt auf der Welt ist:
sie heißt Brünhild. Sie hat eine Burg, die Seegard heißt.
Willst du um sie werben, so will ich dir den Weg dahin weisen und dir helfen,
was ich kann.«
Gunnar-König dankte ihm und sagte, das wäre guter Rat.
Nun rüsteten sie sich in Eile und ritten zu, Didrik-König
und Gunnar-König und Hagen und Jungherr Sigfrid; und nicht eher ließen
sie ab, als bis sie zu der stolzen Brünhild kommen. Sie empfängt
sie wohl, wie es sich für sie schickte, alle außer Sigfrid,
darum, weil er ihr gelobt hatte, er wolle keine Frau haben außer
ihr. Nun redete Sigfrid mit Brünhild, und bat sie, König Gunnar
gute Antwort zu geben.
Sie antwortete: »Warum hast du dein Wort mir so übel gehalten?
Ich wollte auf der Welt keinen Mann als nur dich, wenn ich zu entscheiden
hatte.«
Sigfrid antwortete: »Das wird nun bleiben, wie es getan ist.
Du bist beides, edel und weise; deshalb kam ich hierher mit Gunnar-König,
damit er dich erhält. Er ist ein guter Held und mächtiger König.
Und deshalb nahm ich seine Schwester, weil sie so wackere Brüder hatte,
und wir haben uns Bruderschaft geschworen.«
Brünhild antwortete: »Da ich dich nicht haben kann, den
ich am liebsten habe von allen Menschen, so will ich doch gern deinem Rat
folgen.«
Darauf gingen Didrik-König und Gunnar-König zu ihr und machten
einen Vertrag darüber, dass Gunnar-König sich mit Brünhild
verlobte und sogleich Brautlauf mit ihr machte.
211.
Den ersten Abend gingen sie zu Bett, Braut und Bräutigam, und
alle waren von ihnen gegangen. Da nahm Gunnar-König sie in die Arme
und wollte tun, wie es alte Sitte ist und Brauch der Welt. Sie wollte keineswegs.
Sie rangen lange darum, bis sie ihren Gürtel nahm und seinen und band
seine Hände und Füße und hängte ihn über einen
Balken. Dort hing er die ganze Nacht. Als der Tag kam, löste sie ihn
und legte ihn ins Bett neben sich. Seine Leute kamen zu ihm, da stand er
auf und ging hinaus. Er sagte keinem Menschen, was ihm geschehen war.
Die zweite Nacht geschah ihm das Gleiche, die dritte ebenso. Den vierten
Tag tat Gunnar-König vergnügt, damit niemand herausfinden sollte,
was ihm geschehen war. Da sagte er Jungherrn Sigfrid, wie das mit ihm beschaffen
war. Er traute ihm wohl, denn sie hatten einander Eide geschworen.
Sigfrid antwortete: »Sie hat diese Natur: solange sie Jungfrau
ist, ist sie stärker als jeder Mann. Hättet ihr erst ihr Magdtum,
so wäre sie nicht stärker als andere Frauen.«
Der König antwortete: »Ich traue keinem Mann besser als
dir. Ich weiß auch, dass du so stark bist, dass du ihr Magdtum bekommst,
wenn irgendein Mann das bekommt. Vor allem traue ich dir, dass du darüber
schweigst gegen jedermann.«
Sigfrid antwortete: »Ich will gern euren Willen tun; doch tragt
mir keine Feindschaft nach!«
Der König antwortete: »Das soll niemals geschehen.«
Darauf gingen sie zu Tisch und waren vergnügt und gingen dann
zu Bett.
212.
Als sie ins Brauthaus kamen, löschte der König alles Licht
und wies seine Mannen zur Tür. Da kam Jungherr Sigfrid im Dunkeln
herein, der König ging hinaus, und Sigfrid schloss die Tür zu.
Dann legte er sich zur Braut. Sigfrid breitete Kleider über sein Haupt.
Dann nahm er Brünhild in seine Arme und tat, was ihm gut schien. Nicht
wehrte sie sich gegen ihn.
Am Morgen nahm er einen Ring von ihrer Hand und steckte dort wieder
einen anderen an.
Da kam Gunnar-König herein gegangen. Sigfrid stand auf und kleidete
sich an; und es wusste hiervon, außer den Zweien, kein Mensch, wie
es zugegangen war. Sie gingen in die Stube und waren vergnügt und
tranken den Brautlauf acht Tage lang. Dann ritten sie fort. Herr Didrik
ritt nach Bern und seine Mannen. Sie schieden als gute Freunde. König
Gunnar ritt heim ins Niflungenland und seine Ehefrau mit ihm, auch Jungherr
Sigfrid und Hagen.
Sie herrschten alle über Niflungenland.
222.
König Attala ('Aktilius','Atilius') war ein reicher König.
Er hatte große
Freundschaft mit Ermenrik-König. Er gab seinen Neffen, welcher Osid
hieß, zu Ermenrik-König, mit zwölf Rittern. König
Ermenrik gab ihm dafür seinen Neffen, der Walter hieß von Waldsken.
Er war damals nicht sehr alt. Eine Jungfrau war bei Attala-König,
sie hieß Hildegund, des Jarls Tochter von Greken. Sie war dahin gegeben
als Geisel. Walter hatte sie sehr lieb.
223.
Einmal hatte Attala-König viele Gäste und viel Kurzweil mit
Tanz und allerlei Spiel.
Walter hielt die Jungfrau bei der Hand, Hildegund, und sagte zu ihr:
»Was willst du lieber: Mir folgen oder König Attalas Frilla
sein?«
Sie antwortete: »Wäre das euer Ernst, so will ich keinen
lieber haben als euch!«
Er antwortete: »Gott werde mir so hold, wie ich euch hold sein
werde!«
Die Jungfrau sagte ihm, sie wollte gerne seinen Willen tun.
Er sagte: »Komm am Morgen, sowie es tagt, außen vor die
heimliche Pforte und habe mit dir Gold und Silber und deine Kleider!«
Sie sagte, das wolle sie tun. Nicht erfuhr es der König, ehe sie
beide draußen waren. Da kam der Torhüter und sagte ihm das.
224.
Hagen war damals bei Attala-König und war damals ganz jung.
Der König sagte zu ihm: »Reite der Jungfrau nach und Walter!«
Er gab ihm elf Ritter mit. Sie ritten eilends hinter Walter her.
Als Walter ihrer ansichtig wurde, stieg er von seinem Ross und nahm
die Jungfrau herab.
Dann sprang er wieder auf sein Ross und band sich den Helm fest aufs
Haupt.
Die Jungfrau sagte: »Das ist sehr Leid, dass du allein sollst
mit Zwölfen kämpfen! Flieh lieber davon und rette dein Leben!«
Walter antwortete: »Weine nicht, Jungfrau! Ich sah schon
früher Helme, Brünnen und Schilde spalten und manch einen hauptlos
vom Hengste stürzen. Oftmals bin ich dabei gewesen; deshalb graust
es mir nicht vor diesen Zwölfen!«
Dann ritt er hart gegen sie an, und sie schlugen sich sehr lange. Walter
schlug die elf zur Hel, und Hagen entfloh in einen Wald, der nah bei lag.
225.
Walter kam in denselben Wald, und die Jungfrau mit ihm. Er machte Feuer
und bereitete Essen. Als Walter saß und aß von einer Wildeberkeule,
da kam Hagen mit dem gezogenen Schwert und lief auf Walter los.
Die Jungfrau rief: »Wahre dich, Herr! Hier kommt einer von deinen
Feinden!«
Walter sprang auf und nahm die Keule und schlug Hagen so gegen sein
Auge, dass das eine Auge ausging, und er umfiel.
Hagen sprang schnell auf und stieg auf sein Ross und ritt heim zu Attala-König
und sagte ihm das Neueste und hatte da sein eines Auge verloren.
Walter ritt zu Ermenrik-König und war ihm willkommen und blieb
dort für lange Zeit.
291.
In jenen Zeiten war ein König in Niflungen-Land {auf einer Burg
namens Verniza}, der Gunnar hieß,
und seine Brüder mit ihm, die hießen Hagen, Gernholt und Gislher;
und deren Schwager Jungherr Sigfrid. Der war der beste Kämpe, von
dem man zu sagen wusste in jenen Zeiten. Er hatte Grimhild, deren Schwester.
Sie hatten alle ein Reich und waren mächtige Kämpen, und keiner
wagte, gegen sie zu streiten. Sigfrid war viel stärker als jeder von
ihnen. Seine Haut war hart wie Drachenschuppen, und kein Waffen biss auf
ihm außer an einer Stelle zwischen seinen Schultern.
292.
Eines Tages ging Königin Brünhild, König Gunnars Gattin,
hinein in eine Halle.
Da saß vor ihr Grimhild und wollte nicht vor ihr aufstehen.
Brünhild antwortete: »Bist du so toll, dass du nicht aufstehn
magst vor mir, die ich die Königin über dich bin?«
Grimhild antwortete: »Ich will dir sagen, warum ich das tue:
Du sitzest in meines Vaters Hochsitz, wo mir gebührte zu sitzen!«
Die Königin antwortete: »Das ist wahr, dass dein Vater und
Mutter dieses Schloss und Land besaßen. Das gehört nun mir zu,
nicht dir! Du kannst besser in den Wald laufen hinter Jung-Sigfrid her
und ihm folgen, als Königin sein im Niflungenland.«
Grimhild antwortete: »Du wirfst mir nun das als Schande vor,
wovon ich meinte, Ehre zu haben, meinen Gatten Jungherrn Sigfrid; und nun
hebst du ein schlimmes Spiel an. Ich werde dich nun etwas anderes fragen:
Sage mir, wer dein Magdtum nahm!«
Brünhild antwortete: »Das will ich dir sagen, ich hoffe,
das ist mir keine Schande. Das war der reiche Gunnar-König, dein Bruder!
Er kam zu meiner Burg, ihn begleiteten Didrik von Bern und manche andre
Edle und Fürsten, und er machte Brautlauf mit mir mit großem
Preis. Er nahm mein Magdtum und kein anderer!«
Grimhild antwortete: »Das logst du! Dein Magdtum nahm Jungherr
Sigfrid!«
Brünhild entgegnete: »Niemals wurde ich Sigfrids Frau und
nie er mein Mann!«
Grimhild antwortete: »Hier ist der Goldring, den er von deiner
Hand zog, als er dein Magdtum nahm!«
293.
Als Brünhild dies hörte und sah den Ring, da dachte sie wohl,
wie es darum bestellt wäre, und bereute bitter, dass ihr das vorgeworfen
war. Sie wurde rot wie Blut, sie ging fort und sprach nicht ein Wort und
ging hinaus aus der Burg. Dort traf sie Gunnar-König, Hagen und Gernholt.
Sie ging weinend zu ihnen und zerriss ihre Kleider.
König Gunnar und seine Brüder waren im Wald gewesen, Tiere
zu jagen. Sie fragten, was der Königin geschehen sei, und warum sie
so sehr weine.
Die Königin sagte zu Gunnar-König: »Dir ist wohl bewusst,
wie ich aufgab mein eigen Land und Schloss und meine Freunde und Verwandten.
Darum ist es an dir, zu rächen, was mir an Kränkung geschieht.
Willst du meine Kränkung nicht rächen, dann räche, was dir
selbst geschehn ist! Jung-Sigfrid hat dich getäuscht an Treu und Glauben;
denn er hat seiner Frau die heimlichen Dinge gesagt, die zwischen uns waren.
Sie warf mir das vor, heute, dass du mein Magdtum nicht nahmst, und nun
habe ich so großen Kummer, dass ich ihn niemals verwinde.«
Hagen antwortete: »Weine nicht, Königin! Tu, als wenn Nichts
geschah und rede nicht mehr darüber!«
»Als Jung-Sigfrid zu uns kam,« sagte sie, »da war
er wie ein Heimloser und wusste weder von Vater noch Mutter. Nun ist er
so toll, dass er über uns alle sein will.«
Da antwortete Gunnar-König: »Weine nicht, Königin!
Jung-Sigfrid soll nicht lange unser Herr sein, und nicht meine Schwester
Grimhild deine Königin.«
294.
König Gunnar und seine Brüder ritten hinein in die Burg und
sprachen hierüber nicht. Jungherr Sigfrid war da fort, Tiere zu jagen.
Doch am anderen Tag des Abends, da kam Jungherr Sigfrid heim. König
Gunnar und seine Brüder empfingen ihn wohl. Sie tranken tüchtig
am Abend und waren vergnügt. Die Königin Brünhild war sehr
bekümmert.
Eines Tages sprach Hagen zu Gunnar-König: »Willst du in
den Wald reiten, Tiere zu jagen?«
Der König sagte ja. Da ging Hagen zum Koch: »Morgen früh
mach unsre Mahlzeit fertig und salze sie, so sehr du kannst. Was am salzigsten
ist, das setze Jungherr Sigfrid vor!«
Darauf ging er zum Schenken und sagte: »Morgen, wenn wir essen,
lass uns wenig zu trinken bringen!«
Darüber redeten sie nicht weiter.
295.
Am Morgen früh bat Gunnar-König sie, zu Tische zu gehen,
Hagen und seinen Bruder.
Da kam Jungherr Sigfrid dahergegangen und fragte: »Warum esst
ihr so früh? Wohin wollt ihr reiten?«
Der König antwortete: »Wir wollen reiten und uns verlustigen
und Tiere jagen. Willst du mit uns fahren?«
Sigfrid antwortete: »Ich will gern dich begleiten.«
Der König sagte: »So geh zu Tisch und nimm dir Speise!«
Und der Koch und der Schenk hatten getan, wie ihnen angegeben worden
war. Als sie satt waren, ritten sie hinaus in den Wald und schlugen ihre
Hunde los.
Als Sigfrid aus der Burg ritt, da ging Grimhild und legte sich schlafen
in ihr Bett, denn sie wollte nicht mit Brünhild Umgang haben. Brünhild
bat auch Hagen, ehe er ausritt, es so einzurichten, dass Sigfrid nicht
mehr dahin zurückkäme, außer er würde erschlagen den
Tag. Dafür wollte sie ihm Gold geben und Silber, soviel sie vermöchte.
Hagen antwortete: »Sigfrid ist ein so starker Kämpe, ich
weiß nicht, ob ich ihn töten kann; doch will ich das versuchen.«
Darauf ritten sie in den Wald und trafen auf Tiere, und immer war Jungherr
Sigfrid der rascheste, wie er es allzeit vorher gewohnt war. Hagen schoss
einen Spieß durch einen wilden Eber, darauf zerlegten sie das Schwein
und gaben den Hunden (und gaben ihnen) das Eingeweide.
Da waren sie so heiß und durstig, dass sie fast ohnmächtig wurden.
Da war ein fließend Wasser. König Gunnar und Hagen legten
sich nieder zum Trinken. Da kam auch Sigfrid und tat desgleichen. Da stand
Hagen auf und nahm seinen Spieß in beide Hände und schoss ihn
mitten zwischen die Schultern, so dass er durchs Herz hinausging.
Als Sigfrid den Stich spürte, da sagte er: »Solches erwartete
ich mir nicht von meinem Schwager, wie du mir nun tatest! Wäre ich
auf meinen Füßen gestanden, da wäre eher mein Schild, Brünne
und Helm zerkloben worden und meine Brünne zerbrochen, mein Schwert
zerschartet und solltet ihr auf allen Vieren ('alle viere')
vor meinen Füßen liegen, ehe einer von euch mir die Todeswunde
gegeben hätte.«
So starb Sigfrid.
Da sagte Hagen: »Den ganzen Tag haben wir einen Eber gejagt und
konnten ihn knapp alle Viere fangen; doch nun habe ich alleine gejagt,
so Bär und Wisent (dia'fell), welche die schlimmsten
sind von allen Tieren!«
Da antwortete Gunnar-König: »Ganz gewiss hast du wohl gejagt,
und wollen wir unsrer Schwester Grimhild diesen Bären heimbringen.«
296.
So führten sie die Leiche mit zur Burg. Da stand Brünhild
dort oben und sah, dass ihr Gatte und seine Brüder kamen und führten
Sigfrid tot mit sich. Da ging sie hinaus, ihnen entgegen und beglückwünschte
sie – sie hätten alle männlichst gejagt – und sie sollten ihn
in Grimhilds Arme legen.
»Sie liegt und schläft in ihrem Bett. Das haben sie nun,
wie sie es verdient haben!«
Als sie kamen vor Grimhilds Tür, war die Tür verschlossen.
Sie zerschlugen die Tür und warfen die Leiche ihr in die Arme. Davon
erwachte sie und sah Sigfrid neben sich tot.
Da sagte Grimhild: Ȇbel scheint mir deine Wunde! Wie bekamst
du die, während dein goldbeschlagener Schild unzerbrochen hier steht,
dein Helm unzerkloben? Darum musst du ermordet sein! Wüsste ich, wer
das getan bat, ich würde das einmal rächen!«
Da entgegnete Hagen: »Nicht ist er ermordet! Wir jagten einen
wilden Eber, der hieb ihm die Todeswunde.«
Grimhild antwortete: »Hagen, du warst dieser selbe Wildeber und
keiner sonst!« – und sie brach in bitteres Weinen aus.
Sie gingen von ihr und in den Saal und taten froh und vergnügt;
und Brünhild war auch überaus froh.
Darauf rief Grimhild ihre Mannen und ließ seinen Leichnam begraben,
so gut sie nur konnte.
Alle, die erfuhren, dass Jungherr Sigfrid erschlagen war, sagten, dass
niemals, seit die Welt steht, einer geboren wurde, Jung Sigfrid gleich
an Stärke, Mannhaftigkeit, Anmut und jeder Art Ritterlichkeit und
Freigebigkeit, die er allen Menschen voraus hatte. Sein Name wird nie sich
verlieren, solange die Welt steht.
302.
Als Attala, König von Hünenland
('Hymaland'),
lange einsam gesessen und erfuhr, dass Jung-Sigfrid tot sei und dass Grimhild
überlebte, von allen Frauen die weiseste und schönste, sandte
er Botschaft an seinen Neffen Osid Herzog und bat ihn‚ er möge zu
ihm kommen. Als der das erfuhr, fuhr er stracks zu ihm mit zwanzig Rittern.
Attala empfing ihn wohl und hieß ihn seine Botschaft zu bringen an
Grimhild, König Gunnars Schwester, die Jung-Sigfrid gehabt hatte,
sie sich zur Ehefrau zu erbitten. Der Herzog sagte, er werde gerne fahren,
wohin der König ihn senden wolle und fuhr dahin mit dreißig
Rittern und Knappen und fand Gunnar-König
(Mb: 'in Vernica').
Sie wurden dort wohl empfangen. Sie blieben dort mehrere Tage.
Eines Tages redete er mit Gunnar König und seinen Brüdern,
und sagte ihnen, wie Attala-König von Hünenland bitten ließe
um ihre Schwester Grimhild, und was sie mit ihr geben wollten. Und dass
sie ihm gleich darauf Antwort gäben, was sie hierin tun wollten. Sie
erwiderten, dass sie das gerne tun wollten, weil Attala-König da der
reichste und mächtigste König sei, von dem man irgend zu sagen
wüsste.
Da sagte Hagen: »Das wäre uns große Ehre, dass der
reiche Attala-König unsere Schwester bekäme. Sie ist aber so
groß gesinnt, dass uns nicht ziemt, sie zu geben außer mit
ihrer Einwilligung.«
Gernholt antwortete: »Ich stimme dem zu.«
Darauf ging Gunnar-König zu Grimhild und fragte sie ob sie Attala-König
haben wollte.
Sie antwortete: »Ich getraue mich nicht, Attala-König abzuweisen;
denn er ist ein reicher König und ein mannhafter. Wollt ihr, meine
Brüder, so ist es mein guter Wille.«
Sie antworteten: »Ist es dein Wille, so ist es unser Wille.«
Da machten sie einen Beschluss darüber, dass es sein sollte‚ wie
König Attala wollte.
Gunnar-König hatte Helm und Schild, die Jung-Sigfrid besaß,
die gab er dem Sendboten.
Darauf ritten sie wieder heim und sagten dem König, welche Antwort
sie bekommen hatten.
303.
Der König dankte ihnen und machte sich bald darauf bereit so gut
er nur konnte und fuhr ins Nyfflingeland mit vierhundert Rittern und vielen
Knappen. Didrik-König begleitete ihn.
Als König Gunnar das erfuhr, da ritt er hinaus ihnen entgegen
und empfing sie wohl. Didrik-König und Hagen küssten sich, als
sie sich trafen, denn sie waren gute Freunde. Darauf reiten sie alle zur
Burg (Mb: 'Vernica').
Da gaben Gunnar-König und seine Brüder ihre Schwester dem
Attala-König. Und sie tranken darauf einen köstlichen Brautlauf
(Hochzeit).
Darauf trennten sie sich.
Gunnar-König gab Didrik Grane, Jung-Sigfrids Ross, und das Schwert
Gram gab er dem Markgrafen Rödger; König Attala gab Grimhild
so viel Silber, wie es sich für sie geziemte. So schieden sie. Attala-König
und Didrik ritten heim in ihr Reich.
Doch Grimhild weinte allezeit um ihres Gatten Jung-Sigfrids Tod.
304.
Als Grimhild den König Attala sieben Jahre zum Gatten gehabt,
sagte sie eines Nachts zu ihm: »Herr‚ das ist großer Harm,
dass ich sieben Jahre meine Brüder nicht sah. Wann willst du sie hierher
laden? Ich will dir sagen, was du sonst wohl nicht hörtest, dass Sigfrid,
mein Gatte, der reichste Herr war an Gold und Gut, wie kein König
es jetzt ist. Das haben meine Brüder nun alles zusammen und gebens
mir nicht heraus. Bekäme ich das, du könntest davon haben, was
du willst!«
Als Attala-König das hörte, wusste er, dass es wahr war –
und er war aller Menschen begehrlichster; ihm schien es schlecht, dass
er den Niflungenschatz nicht bekommen sollte –
und sagte: »Ich weiß, Frau, dass Jung-Sigfrid viel Gold
besaß: Zuerst, was er nahm von dem großen Drachen, den er erschlug;
ferner, was er durch Kampf gewann, und dazu, was sein Vater, Sigmund-König
besaß. Und nun ist zu raten, dass du sie einlädst, deine Brüder,
wenn du das willst. Was ich habe an Gut, sei für sie ungespart.«
305.
Bald danach sandte Grimhild zwei ihrer Mannen mit Attala-Königs
Brief, der so lautete: »Attala-König ist schon recht alt, und
sein Sohn Aldrian ist noch zu jung; darum ist keiner näher dazu, das
Land zu lenken, als die, welche Aldrians Mutterbrüder sind. Darum
lüden sie sie ein, dorthin zu ihnen zu kommen und Raten zu helfen
zu des Landes Bestem!«
Als König Gunnar und sein Bruder Hagen und die übrigen den
Brief vernommen, da sprach Hagen: »Bruder, wenn du ins Hünenland
fährst, dann kommst du nie mehr nach Hause zurück und auch keiner
von denen, die dir folgen; denn Grimhild ist klug und falsch, und ich fürchte,
dass sie uns täuschen will.«
Gunnar-König antwortete: »Mein Schwager Attala-König
hat mich zu sich eingeladen in Freundschaft. Aber das ist dein Rat, Hagen,
dass ich nicht dahin kommen soll. Das rätst du mir nun, wie deine
Mutter meinem Vater riet, und jedesmal war der folgende Rat schlimmer als
der vorige. Darum beachte ich deinen Rat nicht, sondern ich werde ins Hünenland
fahren und hoffe, ich komme heil wieder heim nach meinem Willen. Und ehe
ich fortziehe von Hünenland, kommt das ganz in meine Gewalt. Doch
du, Hagen, folge mir, wenn du willst! Wagst du mir nicht zu folgen, dann
sitze daheim!«
Hagen antwortete: »Nicht sagte ich das deshalb! Ich fürchte
nicht mehr um mein Leben als du um deins, aber als Wahrheit sag ich dir
dies: du kommst niemals heraus aus Hünenland; und fährst du dahin
mit wenigen oder vielen, von allen kommt keiner zurück ins Niflungenland.
Willst du nun fahren‚ dann will ich daheim sein! Denkst du nicht mehr daran,
wie wir uns von Jung-Sigfrid trennten? Ich weiß da jemand im Hünenland,
der denkt noch daran. Das ist Grimhild, unsere Schwester. Sie erinnert
dich ganz gewiss daran, wenn du hinkommst nach Susa.«
König Gunnar antwortete: »Wenn du so bange bist vor deiner
Schwester, dass du nicht wagst, zu fahren, so will ich fahren!«
Da war Hagen gekränkt, dass man seiner Mutter Rat so oft ihm vorwarf,
und ging in den Saal zu seinem Blutsfreund Folkward-Spelemann und sagte
zu ihm: »Willst du mit uns fahren ins Hünenland, wie König
Gunnar beschlossen hat auf Grimhilds Botschaft hin? Mit uns sollen fahren
all unsre Mannen die kühn sind zu kämpfen!«
306.
Da ging die Königin Oda, König Gunnars und Gislhers Mutter,
zum König und sagte: »Mir träumte, ich sah im Hünenland
so viele tote Vögel, dass all unser Land leer war von Vögeln.
Nun willst du ins Hünenland fahren, und ich weiß, aus eurer
Fahrt entsteht viel Unheil, beiden, Niflungen und Hünen ('Hyminge'),
und kostet das manches Mannes Leben. Darum fahr nicht dahin, daraus kommt
viel!«
Da sagte Hagen: »Gunnar-König hat diese Fahrt endgültig
beschlossen. Was fragen wir nach deinen Altweiberträumen?«
Da antwortete die Königin: »Gunnar-König und du, ihr
mögt ins Hünenland fahren, wenn ihr wollt, aber mein junger Sohn
Gislher, der soll daheim bleiben!«
Gislher antwortete: »Fahren meine Brüder, dann will ich
mit!« und lief stracks und wappnete sich.
307.
Gunnar-König sandte Botschaft über all sein Land, dass alle
seine stärksten und raschesten Mannen sich sollten fahrtbereit machen
und sich wappnen, so gut sie nur könnten. Da ward Gunnar-König
fahrtbereit mit tausend raschen Mannen mit guter Rüstung und reisigem
Pferd.
Da nahm Hagen Gunnar Königs Banner, das war vorn golden, inmitten
weiß und ein Aar darin aus roter Seide mit einer Krone, und außen
war das grün.
So ritten sie zum Rhein, dort wo Duna und Rhein zusammen kommen.
Das war breit da hinüber, und war da kein Schiff. Da blieben sie
dort die Nacht in ihren Zelten.
308.
Am Abend, als sie satt waren, bat König Gunnar Hagen zum Wachthalten
zu schicken, die ihm am besten schienen.
Hagen antwortete: »Schickt flussaufwärts vom Heere, wen
ihr meint, flussabwärts will ich selbst Wacht halten und sehen, ob
ich irgend ein Schiff bekomme.«
Gunnar-König gefiel das wohl.
Als das Volk schlafen gegangen war, nahm Hagen all seine Waffen und
ging flussabwärts im hellsten Mondschein. Er kam zu einem Wasser,
das Maere hieß, und sah da irgendwelch Volk im Wasser und sah ihre
Kleider am Wasser liegen. Er nahm die Kleider und verbarg sie. Und das
waren keine anderen Menschen als zwei Wasserweiber. Die kamen vom Rhein
und in diesen See, um sich zu vergnügen.
Das Seeweib sagte zu Hagen: »Gib uns unsre Kleider wieder!«
Er antwortete: »Sag mir zuerst, was ich dich frage: Werden wir
alle lebend über den Rhein und zurückkommen? -
Das Seeweib antwortete: »Ihr kommt alle heil weg über den
Rhein, aber keiner von euch kommt zurück; und dir steht noch große
Mühsal bevor!«
Da zog Hagen sein Schwert und erschlug die Seeweiber, er hieb sie mitten
durch, beide, Mutter und Tochter.
309.
Und darauf ging er am Fluss hinunter. Da sah er einen Mann rudern mitten
im Fluss. Hagen rief ihm und sagte: »Rudere hierher zu mir! Ich gehöre
zu Elsung-Jarl!«
Darum sagte er so: er war da in Elsungs Reich.
Der Fährmann antwortete: »Ich frage nicht, wem du zugehörst.
Wer mir Penninge gibt, den will ich überfahren!«
Da hielt Hagen seinen Goldring hoch und sagte: »Sieh, den will
ich dir geben!«
Als der Fährmann den Goldring sah, da ruderte er zum Land wo Hagen
stand. Da stieg Hagen in die Fähre und stieß vom Lande. Der
Fährmann wollte flussabwärts rudern.
Hagen sagte: »Du sollst flussaufwärts rudern!«
Da musste er rudern, wie Hagen verlangte, (Mb: 'und beide
ruderten sie') so lange, bis sie dahin kamen, wo das Heer lag.
310.
Da stand König Gunnar auf und kleidete sich an und ließ
das Volk übersetzen mit einem kleinen Schiff, und es war schon ein
Teil seines Volks vorangegangen.
Da kam Hagen mit dem größeren Schiff. Da stieg König
Gunnar ein und mit ihm einhundert Mannen. Als sie in die Mitte des Flusses
kamen, ruderte Hagen so stark, dass er beide Ruder zerbrach. Er sprang
auf und verfluchte den, der die Ruder machte, und zog sein Schwert und
hieb dem Fährmann den Kopf ab.
Da sagte Gunnar-König: »Warum tatest du das, Hagen? Was
gabst du ihm Schuld?«
Hagen antwortete: »Er soll nicht sagen von unsrer Fahrt, wohin
wir fahren!«
Da sagte Gunnar-König mit großem Zorn: »Du bist niemals
froh, außer du tust etwas Übles!«
Hagen antwortete: »Was soll ich sparen, Übles zu tun, während
ich hinfahre? Denn ich weiß‚ dass keiner von uns zurück kommt!«
Der König steuerte. Da barst das Steuer (Mb: 'Steuerband')
entzwei. Dann trieb die Fähre quer vor der Strömung. Da sprang
Hagen hin und mühte sich um das Steuer und besserte aus, was er nur
konnte. Als sie gegen das Land kamen, da füllte sich die Fähre
und schlug um mit ihnen, und sie kamen nass und mit großer Not ans
Land.
Darauf reiten sie ihren Weg ... (Große Lücke
im Quelltext)
311. bis 315.
(Große Lücke im Quelltext; deshalb folgen
hier ersatzweise Mb 367. bis 373.)
Mb 367.
Am Abend legen sie sich nieder und lassen Hagen Wacht halten. Und als
alle Mannen eingeschlafen sind, da geht Hagen allein auf Kundschaft weit
von der Schar. Er kommt dahin, wo ein Mann liegt und schläft, der
ist in Waffen; und sein Schwert hat er unter sich gelegt, und der Knauf
guckt vor. Hagen greift zum Schwert und zieht das Schwert heraus und wirft
es von sich. Er stößt mit seinem rechten Fuß ihm in die
Seite und heißt ihn erwachen.
Aber dieser Mann springt auf und sucht nach dem Schwert, vermisst es
und rief: »Weh werde mir für diesen Schlaf, den ich nun schlief!
Nun kam ein Heer ins Land meines Herrn, Rodinger Markgraf! Ich hab nun
gewacht drei Tage und drei Nächte, und deshalb eben schlief ich!«
Da redete Hagen mit ihm und findet, dass er ein guter Degen ist: »Du
wirst ein guter Degen sein. Sieh hier meinen Goldring, den will ich dir
geben für deine Mannhaftigkeit, und du sollst sein besser genießen
als der, dem er vorher gegeben war. Ich will dir auch dein Schwert geben.«
Und so tut er.
Nun antwortet dieser Mann: »Hab großen Gottesdank für
deine Gabe, zuerst, dass du mir mein Schwert gabst und dann deinen Goldring.«
Nun sprach Hagen: »Nicht sollst du in Furcht sein um dieses Heer,
wenn du das Land von Rodinger Markgraf hütest. Er ist unser Freund.
Über diese unsre Schar gebietet Gunnar-König von Niflungenland
und seine Brüder. Sag mir noch, guter Degen, wohin weisest du uns
zu gastlicher Statt in der Nacht? Oder wie heißest du?«
»Ich heiße Eckivard,« sagte er, »und nun wundre
ich mich, wie du daher fährst, bist du doch Hagen, Aldrians Sohn,
der meinen Herrn Jung-Sigfrid getötet. Hüte dich, solang du im
Hünenland bist, du wirst hier viel feindlich gesinnte Leute haben.
Doch nicht kann ich dich weisen zu besserer Nachtstatt als in Bakalar zu
Markgraf Rodinger, er ist ein guter Fürst.«
Da sprach Hagen: »Dahin hast du uns gewiesen, wohin wir es vorher
beabsichtigten. Reite nun heim zur Burg und sage, dass wir dahin kommen
werden. Sage auch, dass wir ganz nass sind!«
Mb 368.
Nun trennen sie sich, und Eckivard reitet heim, doch Hagen kehrt zurück
zu seinen Mannen und sagt Gunnar-König alles, was ihm widerfahren
ist und heißt sie da schleunigst aufstehen und heim reiten zu der
Burg.
Und das tun sie.
Eckivard reitet schleunigst heim zur Burg, und als er in die Halle
kommt, hat Markgraf Rodinger gegessen und gedenkt schlafen zu gehen. Da
sagt Eckivard, dass er Hagen getroffen hat und auch, dass Gunnar König
dorthin gekommen ist mit großer Schar und hierher reiten will zur
Gastherberge. Rodinger Markgraf steht auf und ruft alle seine Mannen her
und heißt sie, sich aufs Beste und Ehrenvollste zu rüsten und
ebenso sein Haus. Und nun er selbst, Markgraf Rodinger, lässt sein
Ross holen und will hinausreiten ihnen entgegen mit vielen Rittern, und
alle seine Mannen sind nun in Arbeit und Vorbereitung. Und als Markgraf
Rodinger hinausreitet zur Burg, kommt ihm Gunnar-König entgegen mit
all seiner Schar. Markgraf Rodinger begrüßt die Niflungen und
lädt sie zu sich ein zu frohem Empfang, und gern nimmt Gunnar-König
das an. Und Hagen wünscht Eckivard großen Gotteslohn, wie er
diesen Auftrag ausgeführt.
Mb 369.
Nun kommen die Niflungen in den Hof von Rodinger Markgraf und steigen
von ihren Rossen, und die Mannen von Rodinger Markgraf empfangen und betreuen
sie wohl. Und wie Eckivard gesagt hat, lässt der Markgraf zwei Feuer
machen außen im Hof, da sie nass sind. Und am einen Feuer sitzt Gunnar-König
und Hagen und deren Brüder und einige ihrer Mannen, und eine Schar
von ihnen am andern Feuer. Und die, welche trocken werden, folgen dem Markgrafen
hinein in die Halle, und er weist ihnen Sitze an. Nun fahren die Niflungen
aus ihren Kleidern am Feuer.
Da sprach Gudelinda, die Frau des Markgrafen – sie war die Schwester
Herzog Naudungs, der bei Gronsport fiel: »Die Niflungen haben hierher
geführt manch blanke Brünne, manch harten Helm, scharf Schwert
und neuen Schild, und das ist besonders besorglich, dass Grimhild beweint
jeden Tag ihren Gatten Jung-Sigfrid.«
Als diese Feuer heruntergebrannt, gehen Gunnar König und Hagen
und ihre Brüder hinein in die Halle und sitzen den Abend und trinken
mit größter Freude und sind nun höchst vergnügt. Und
dann gehen sie schlafen.
Rodinger-Markgraf liegt in seinem Bett bei seiner Frau und sie reden
mit einander.
Da sprach Rodinger-Markgraf: »Frau, was soll ich Gunnar-König
geben und seinen Brüdern, das ihnen würdig sei, anzunehmen, und
mir eine Ehre zu geben?«
Sie antwortet: »Das, Herr, was euch rätlich scheint. All
das soll mein Rat in dieser Sache sein, was der deine ist.«
Und nochmals sprach Rodinger-Markgraf: »Ich will dir sagen von
Jungherr Gislher, wenn das euer Rat ist, dass ich die Jungfrau, meine Tochter
ihm gebe als eine erste Gabe.«
Nun antwortete Gudelinda: »Das ist gut, dass du ihm unsre Tochter
gibst, wenn es so ist, dass er sich ihrer erfreuen kann; doch darum bin
ich besorgt.«
Mb 370.
Nun ist lichter Tag, und Rodinger-Markgraf steht auf und kleidet sich
an, und seine Ritter auch. Da stehen die Niflungen auf und rufen nach ihren
Kleidern. Rodinger-Markgraf bittet sie, einige Tage bei ihm zu bleiben;
doch die Niflungen wollen nun fahren und bleiben nicht. Und da sagt Rodinger-Markgraf,
er wolle mit ihnen reiten samt seinen Rittern. Und nun gehen sie zu Tisch
und trinken nun guten Wein und sind höchst vergnügt. Dort gibt
es nun vielerlei Spiele und andere Kurzweil.
Nun läßt Rodinger-Markgraf einen Helm hereintragen, mit
Gold geschmückt und mit edlen Steinen besetzt, und gibt ihn Gunnar-König;
und für diese Gabe dankt Gunnar-König sehr und schätzt sie
für ein großes Kleinod. Dann nimmt Rodinger-Markgraf einen neuen
Schild und gibt ihn Gernholt.
Darauf gibt der Markgraf seine Tochter an Gislher und spricht: »Guter
Herr Gislher, diese Maid will ich dir geben zur Ehefrau, wenn du sie annehmen
magst.«
Gislher antwortet, und er bittet, sie ihm zu geben, dem Glücklichsten
unter allen Menschen, und dankbar will er sie nehmen.
Und ferner spricht Rodinger-Markgraf: »Sieh hier, Jungherr Gislher,
ein Schwert will ich dir geben, das heißt Gram; das hat Jung-Sigfrid
gehabt. Das, denke ich, wird von allen Waffen die beste sein, die in eurer
Schar sind.«
Und nochmals dankt Gislher für diese Gabe, und wünscht ihm
Gottes Lohn für all die Ehre, die er ihm auf dieser Fahrt erwiesen
hat.
Nun sprach Rodinger-Markgraf zu Hagen: »Guter Freund Hagen, welches
Kleinod kannst du hier bei mir sehen, das du am liebsten besäßest?«
Da antwortet Hagen: »Mir scheint,« sagt er, »dass
hier ein Schild hängt, dunkelblau von Farbe, der ist groß; und
stark scheint er mir zu sein, er trägt mächtige Hiebspur: den
will ich nehmen als Gastgeschenk!«
Da antwortet Rodinger-Markgraf: »Das fügt sich gut; denn
diesen Schild trug ein guter Held, Herzog Nodung, und er erhielt harte
Hiebe unter Mimungs Schneiden von dem starken Widga, ehe er fiel.«
Und als das Frau Gudelinn hört, weint sie bitterlich um ihren
Bruder Nodung. Und dieser Schild wird nun an Hagen gegeben!
Sie danken Rodinger-Markgraf gar sehr für seine Gaben und Wohltaten.
Als sie sich gesättigt, holen sie ihre Rosse und rüsten sich
selber und mit ihnen Rodinger-Markgraf, und mit diesem seine tapfersten
Ritter (Urschrift A: sieben seiner tapfersten R.),
und reiten hinaus aus der Burg, als sie dazu bereit sind. Da wünschte
ihnen Frau Gudelinn, wohl und heil zu fahren und dann wieder zu kommen
mit Ehre und Ruhm. Und der Markgraf küsst seine Frau Gudelinn, ehe
er hinausreitet, und heißt sie sein Reich wohl lenken, bis sie sich
wiederfinden.
Mb 371.
Nun ist nichts Anderes von ihrer Fahrt zu sagen, als dass sie reiten
einen Tag um den andern. Und den Tag, als sie auf Susa reiten, ist nasses
Wetter und starker Wind, und alle Niflungen sind nun nass und ihre Kleider.
Und als sie vorbeikommen bei einer Burg, die Thorta heißt, reitet
ihnen ein Mann entgegen, der ist Sendbote Attala-Königs und soll nach
Bakalar fahren, um Rodinger-Markgraf zum Fest zu laden. Er reitet aber
zu der Schar mit seinen Leuten.
Und als sie sich treffen, fragt der Markgraf: »Was gibt es Neues
in Susa?«
Dieser Mann antwortet: »Das ist nun in Susa das Neueste: die
Niflungen sind ins Hünenland gekommen, und Attala-König rüstet
ihnen nun ein Fest; und ich ward dir entgegen gesandt, dich zu diesem Fest
einzuladen. Doch nun werde ich wieder umkehren mit euch, denn nun habe
ich meinen Auftrag erfüllt.«
Er zieht nun wieder mit ihnen und reitet mit Rodinger-Markgraf.
Da spricht Rodinger-Markgraf mit dem Sendboten: »Ein wie großes
Aufgebot gedenkt Attala-König zu machen, oder wie viele Männer
dazu zu laden?«
Da antwortet der Sendbote: »Mir scheint, es möchten auf
eurer Fahrt hier nicht weniger sein, als Attala-König viele Männer
zum Mahl geladen hat; doch Königin Grimhild hat halb mal mehr von
ihren Freunden entboten, und sie sammelt Mannen in all ihrem Reich, solche,
die ihr Hilfe leisten wollen. Und hier ist so viel vorgesehen für
dieses Festmahl, als wenn hier eine ganz große Volksmenge sein sollte
und lange dort bleiben.«
Rodinger läßt diesen Mann vorausreiten zur Burg und sagen,
dass nun die Niflungen gekommen sind
(Urschrift A: vor die Burg Attala-Königs. Der
reitet stracks zu Attala-König und sagt ihm diese Nachricht, dass
nun die Niflungen gekommen sind)
vor seine Burg und Rodinger-Markgraf. Nun sendet der König durch
diese ganze Burg, dass jedes Haus vorbereitet sei, einige mit Zelten, und
in einigen soll man Feuer machen. Und nun ist viel Vorbereitung in der
Burg Susa.
Nun sprach Attala-König zu Didrik-König und bittet ihn, dass
er hinausreite ihnen entgegen. Und nun tut er das und reitet hinaus mit
seinen Mannen. Und als sie sich treffen, begrüßen die einen
die andern wohl, und sie reiten alle zusammen zur Burg.
Mb 372.
Königin Grimhild steht auf einem Turm und sieht die Fahrt ihrer
Brüder und sieht, dass sie nun einreiten in die Burg Susa. Nun sieht
sie dort manchen neuen Schild und manch blanke Brünne und manchen
teuren Held.
Nun sprach Grimhild: »Nun ist dies ein grüner Sommer, ein
schöner, nun fahren meine Brüder mit manch neuem Schild und manch
blanker Brünne; und nun gedenke ich, wie mich grämt die große
Wunde Jung-Sigfrids!«
Nun beweint sie Jung-Sigfrid ganz bitterlich und ging den Niflungen
entgegen und hieß sie da willkommen sein, und küsst den, der
ihr am nächsten war, und einen um den andern.
Nun ist diese Burg nahezu voll mit Männern und Rossen, und da
war doch auch schon vorher in Susa manches Hundert an Männern und
auch so an Rossen, dass man die Zahl kaum bestimmen konnte.
Mb 373.
Attala-König nimmt seine Schwäger wohl auf und ist ihnen
gefolgt in die Hallen, die vorbereitet sind, und schafft für sie Feuer.
Doch die Niflungen fahren nicht aus ihren Brünnen, und nicht lassen
sie ihre Waffen von sich.
Nun kommt Grimhild hinein in die Halle, wo bereits ihre Brüder
am Feuer waren und trocknen sich. Sie sieht, wie sie ihre Röcke heben,
und darunter sind blanke Brünnen.
316.
Als Hagen seine Schwester Grimhild sah, setzten sie ihre Helme auf
und banden sie fest, er und Folkward-Spelemann.
Da sagte Grimhild zu Hagen: »Hast du mir nun hergeführt
den Niflungenschatz, den Jung-Sigfrid besaß?«
Hagen antwortete: »Ich bringe dir einen großen Unfreund!
Ihm folgt mein Schild und mein Helm und meine Brünne lege ich nicht
ab!«
Da sagte König Gunnar: »Schwester, geh her und sitz bei
uns!«
Da ging sie zu ihrem jüngsten Bruder Gislher und küsste ihn
und setzte sich zwischen König Gunnar und ihn und weinte bitterlich.
Da fragte Gislher: »Was weinst du so, Schwester?«
Sie antwortete: »Mich grämt, jetzt wie allezeit, die große
Wunde, die ich sah zwischen Sigfrids Schultern, und war keine Scharte in
seinem Schild.«
Da antwortete Hagen: »Denk nicht mehr an Jung-Sigfrid oder seine
Wunde, sondern hab König Attala mehr lieb, denn er ist halb mal reicher
und mächtiger, als Sigfrid war. Nicht machst du Sigfrid mehr heil.
Sigfrids Wunde, das wird nun bleiben, wie es getan ist.«
317.
Da ging Grimhild hinaus, und Didrik von Bern kam darauf zu den Niflungen
und bat sie, zu Tisch zu gehen; und ihm folgte Aldrian, der Sohn des Königs
Attala.
Da nahm König Gunnar Aldrian in seine Arme und trug ihn hinaus.
Doch Didrik-König und Hagen legten jeder den Arm um des anderen Hals
in Freundschaft und geleiteten so einander hinaus bis sie in des Königs
Saal kamen.
Da standen alle Türme und alle Zinnen voll mit Frauen und Jungfrauen‚
und alle wollten sie Hagen sehen um der großen Berühmtheit willen,
die er hatte über alle Lande hin, seiner Mannhaftigkeit wegen.
318.
König Attala saß in seinem Hochsitz mitten vor dem Tisch
und setzte zu seiner rechten Hand König Gunnar, dann Gislher, dann
Gernholt, dann Hagen und dann Folkward-Spelemann, deren Blutsfreund. Zu
seiner linken Hand setzte er Didrik von Bern, dann Markgraf Rodinger und
dann Hillebrand.
Darauf setzen sich alle die andern Edelleute einer nach dem anderen;
und tranken den Abend guten Wein. Und sie wurden auf jede Art wohl bewirtet
mit Speise und Wein und waren nun sehr vergnügt. Da war jedes Haus
voll von Volk. Diese Nacht schliefen sie in gutem Frieden.
Am Morgen, als sie aufstanden, kam Didrik-König von Bern und Hillebrand
und mancher Ritter mehr zu ihnen und (Didrik) fragte,
wie sie die Nacht geschlafen hätten.
Da antwortete Hagen: »Wir haben alle gut geschlafen; aber mein
Sinn ist so, dass ich nicht allzu froh gewesen sein kann.«
Da sagte Didrik-König von Bern: »Mein guter Freund Hagen,
halte dich munter, doch wahre dich, so gut du nur kannst! Du bedarfst da
all deiner Fähigkeit, wenn du von hinnen kommen willst! Denn Grimhild
weint jeden Tag um Jung-Sigfrids Tod!«
Das war die erste Warnung, welche die Niflungen empfingen.
Als sie angekleidet waren, begaben sie sich hinaus auf den Hof.
König Didrik und Gunnar-König geleiteten sich, Hillebrand
und Hagen gingen einen andern Weg zusammen und Folkward mit ihnen.
Da waren alle Niflungen aufgestanden, gingen und sahen sich um in der
Burg.
Da ging Attala-König aus dem Saal und mancher Mann mit ihm, um
der Niflungen stolzes Gebaren zu sehn. Da fragten alle, wo Hagen war, seiner
Mannheit wegen, so berühmt war er.
Da sah Attala-König, welcher er wohl sein könnte, und kannte
ihn nicht; denn Hagen und Folkward-Spelemann waren ebenso kostbar gekleidet
wie Gunnar-König; auch hatten Hagen und Folkward allezeit ihre Helme
auf.
Da sagte Attala-König: »Nicht kenne ich jetzt Hagen. Und
doch, ich und meine Königin Ercha, wir schlugen ihn zum Ritter. Damals
kannte ich ihn gut, und da war er mein guter Freund.«
Da gingen Hagen-Folkward, und einer führte den andern rings um
die Burg, und sahen manche stolzen Frauen, die nach ihnen sahen; darum
nahmen sie ihre Helme ab und ließen sich sehen. Hagen konnte man
daran erkennen: Er war schmal um die Hüften und breit um die Brust,
langes Antlitz und bleich wie Asche, und nur ein Auge, das war ganz schwarz;
und war von Allen der mannhafteste.
319.
Attala erkannte, dass die Menge des Volks groß war, und fände
nicht alle Raum in einem Saal. Nun war schöner Sonnenschein, darum
ließ er das Gastmahl in einem Baumgarten richten.
Da ging Grimhild zu Didrik von Bern.
Er empfing sie wohl und fragte, was sie wollte.
Sie antwortete weinend: »Guter Freund Didrik, ich bin gekommen,
Rat und Hilfe bei dir zu suchen. Meinen größten Gram zu rächen,
dass Jung-Sigfrid mir so mörderisch erschlagen wurde. Das will ich
rächen an Hagen, Gunnar und all den Brüdern. Guter Herr, hilf
mir das rächen! Dann will ich dir geben Gold und Silber, soviel du
nur willst, und dazu noch will ich dir helfen, dass du wohl wieder gewinnst
all dein eignes Land.«
Didrik antwortete: »Frau, das kann ich keinesfalls tun! Und wer
das tut, das ist ohne meinen Rat und Willen; denn sie sind meine besten
Freunde. Mir kommt eher zu, ihren Nutz zu suchen als ihren Schaden.«
Grimhild antwortete nicht und ging weinend hinaus und ging zu Herzog
Osid und sagte: »Willst du mir helfen, meinen Harm zu rächen?
Mich grämt es, wie die Niflungen Jung-Sigfrid erschlugen; das will
ich nun an ihnen rächen, wenn du mir dazu hilfst! Dafür gebe
ich dir ein großes Land, wo du es wünschest.«
Osid antwortete: »Tue ich das, dann habe ich Attala-Königs
Feindschaft, denn er ist ihr guter Freund.«
Da ging die Königin zu Attala-König und redete wie vorher:
»Herr, wo ist das Gold und Silber, das meine Brüder dir
gebracht?«
Attala antwortete: »Sie brachten mir weder Gold noch Silber.
Gerne will ich sie wohl empfangen, um so lieber hier in meinem eigenen
Land.«
Die Königin antwortete: »Wer soll nun meine Unbill rächen,
wenn du es nicht willst? Ich vergesse ihnen niemals, wie Jung-Sigfrid ermordet
wurde. Darum tut es mir weh in meinem Herzen. Tu gut, Herr, und räche
das! Dann bekommst du das Niflungenland und den ganzen Niflungen-Schatz!«
Der König antwortete: »Schweig und schwätze nicht ein Wort
mehr! Ich will meine Schwäger nicht täuschen; sie kamen hierher
auf Treue! Das sollst nicht du tun noch irgendein Mann!«
Da ging Grimhild hinaus, weit unfroher als vorher.
320.
Der König ging in den Apfelgarten und ließ alle Gäste
dahin kommen.
Da sagte die Königin zu den Niflungen: »Ihr seht, dass alle
Hünen ihre Waffen weggelegt haben. Darum will ich, dass ihr Niflungen
mir eure Waffen in Obhut gebt.«
Hagen antwortete: »Du bist eine Königin, dir steht nicht
an, Männerwaffen zu hüten! Mein Vater lehrte mich, als ich jung
war, niemals meine Waffen in einer Frau Obhut zu legen; und solang ich
im Hünenland bin, lege ich nie meine Waffen von mir!«
Damit band er seinen Helm so fest es nur ging.
Da sahen alle, dass Hagen schlimm zornig war, und wussten doch nicht,
was das bedeutete.
Da sagte Gernholt: »Hagen war niemals froh, seit er auf diese
Fahrt ging, und man wird heute seine Mannhaftigkeit sehen und seine Klugheit.«
Da schien es Gernholt, es wäre Betrug bei der Fahrt, und dass
Hagen das vorher wusste, und es geheim hielt vor ihm, und er band seinen
Helm fest und ging so in den Baumgarten.
321.
Da sah Attala-König, dass Hagen voll Zorn war und seinen Helm
fest spannte; und er fragte Didrik: »Wer sind die, die so zornig
ihre Helme festbinden?«
Didrik antwortete: »Das ist Hagen und sein Bruder Gernholt, die
sind beide zornig.«
Der König antwortete: »Das tun sie aus großer Entrüstung.«
Didrik antwortete: »Sie sind vollkommene Helden; und geht es,
wie ich meine, bekommst du das heut noch zu sehen.«
322.
Attala-König stand auf und ging zu Gunnar-König und Gislher
und nahm Gunnar-König mit seiner rechten Hand und Gislher mit seiner
linken Hand und rief Hagen und Gernholt, und setzte sie zu Tisch, alle
wie vorher gesagt ist.
Doch waren viele Feuer im Garten und Tische rings um die Feuer.
Da waren alle Niflungen im Garten mit blanken Brünnen und scharfen
Schwertern und harten Helmen.
Schilde und Speere verwahrten ihre Knappen draußen vor dem Garten;
und sie hatten auf Hagens Rat fünfzehn ihrer Diener bestellt, die
sollten ausspähen zwischen den Hünen, ob Trug sich erhöbe.
Da saß der Erzieher des Sohnes des Königs bei Folkward-Spelemann,
und die Königin ließ ihren Stuhl gerade gegenüber dem König
setzen. Herzog Osid saß bei ihr.
Da ging die Königin zu einem Ritter, der Irung hieß – er
war Hauptmann über ihr Kriegsvolk – und sagte zu ihm: »Guter
Freund Irung, willst du meine Unbill rächen, indem weder Attala-König
noch Didrik von Bern noch irgend einer meiner Freunde das rächen will?«
Irung antwortete: »Warum weinst du oder was willst du rächen?«
Sie antwortete: »Ich vergesse nie, wie Jung-Sigfrid ermordet
ward, und ihn will ich rächen, wenn einer mir dazu hilft!«
Sie nahm seinen goldbeschlagenen Schild und sagte zu ihm: »Willst
du meine Unbill rächen, dann gebe ich dir so viel rotes Gold, wie
du fassen magst, und dazu auf ewig meine Freundschaft!«
Irung antwortete: »Das ist viel Gold, doch deine Freundschaft
ist besser!« und stand gleich auf und wappnete sich mit einer Hundertschaft
Ritter, die ihm gehorchten, und schlug sogleich sein Banner aus.
Da sagte Grimhild: »Schlage zuerst all ihr Volk zur Hel, das
außen vom Garten ist, dass keiner von diesen hereinkommt, und lass
keinen hinauskommen, der drinnen ist!«
323.
Die Königin ging schnell und setzte sich wieder in ihren Stuhl.
Da lief zu ihr hin ihr Sohn Aldrian und küsste sie.
Da sagte die Königin: »Lieber Sohn, bist du deinen Blutsfreunden
gleich und hast du das Herz dazu, dann geh zu Hagen und schlage ihm stracks
an sein Kinn mit deiner Faust einen harten Hieb! Wagst du das, dann wirst
du ein guter Held!«
Der Knabe rannte stracks hinüber zu Hagen, und als der sich über
den Tisch herbeugte, da schlug er ihm an sein Kinn mit der Faust einen
Schlag, stärker als man ihn selbst einem älteren als er war kaum
zutraute.
Da griff Hagen dem Wicht ins Haar mit der linken Hand und sagte: »Das
tatest du nicht nach dem Rat deines Vaters oder nach deinem eigenen Rat;
sondern hierzu hetzte deine Mutter dich auf! Das entgiltst du nun!«
Und zog das Schwert mit der rechten Hand und hieb das Haupt ab dem
Wichte und schlug Grimhild damit vor die Brust und sagte: »Frau,
da hast du 'nen sauren Appel! Wir trinken guten Wein in diesem Garten,
und den werden wir nun teuer erkaufen!«
Und dann hieb Hagen über Folkward-Spelemann hinweg auch das Haupt
ab dem Zuchtmeister des Knaben und sagte zu Grimhild: »Nimm nun diese
Zahlung für deinen Wein! Und du, Zuchtmeister, bekommst nun deinen
gerechten Lohn dafür, dass du das Kind nicht besser zogst!«
Da sprang Attala-König auf und rief: »Auf, alle meine Mannen,
und erschlagt die Niflungen!«
Da sprangen alle Attala-Mannen auf zu ihren Waffen, und die Niflungen
zogen ihre Schwerter.
Da hatte Grimhild blutige Häute auf der Erde ausbreiten lassen;
wenn die Niflungen etwa darüber liefen, dann fielen sie.
Und Irung stand davor mit seinen Mannen, und die erschlugen manchen
guten Mann. Dafür erschlugen die Niflungen manchen Mann im Garten
von den Hünen, so dass manches Hundert von ihnen tot lag im Garten.
324.
Als die Niflungen merkten, dass all ihre Mannen erschlagen wurden,
die außerhalb des Gartens waren, da wandten sie sich zurück
und schlugen sich heftig mit denen, die im Garten waren, so dass sie jedes
Menschenkind, zur Hel schlugen, das nicht davonfliehen konnte.
Attala stand auf einem Turm und hieß alle seine Mannen tapfer
vordringen und die Niflungen erschlagen. Didrik-König ging heim in
seine Herberge mit allen seinen Mannen; und es dünkte ihm sehr übel,
dass so viele seiner Freunde auf beiden Seiten einer den anderen erschlugen.
Doch die Königin ging den ganzen Tag und gab Helme, Brünnen,
Schilde und Schwerter an die Leute des Attala und versprach ihnen viel
Gold und trieb sie an, die Niflungen zu töten.
Nun erhob sich ein harter Kampf.
Die Hünen griffen tapfer den Garten an, und die Niflungen verteidigten
den Garten. Der Garten heißt Horngarten, und jetzt heißt er
Niflungen-Garten (Mb: 'Niflungen-Hom-Garten', in ihrer Überschrift
Holmgarten = Kampfgarten).
Da fielen viele von Hünen und Niflungen, und doch halb mal mehr
von Hünen als von Niflungen.
325.
Da drängten alle Hünen heran, vom Land und von Burgen, so
dass sie halb mal mehr wurden als zuerst, wo der Kampf begann.
Da sagte Hagen zu seinen Brüdern: »Wir haben viele von den
Hünen erschlagen; doch so viele wir auch bekämpfen, es ist als
täten wir nichts. So sehr vermehrt sich ihr Volk vom Land und den
Burgen. Und die, mit denen wir kämpfen, sind nichts Anderes als ihre
Knechte. Die Anführer stehen ganz drüben auf einer Seite und
sehen dort zu. Das ist mein Hauptkummer, dass wir nicht draußen im
Freien sind. Wären wir dort, dann könnten wir selber wählen,
mit wem zu kämpfen uns lüstete. Soll das so bleiben, dann können
wir genau sehen, dass die Niflungen fallen; denn die tun uns den größeren
Schaden mit ihren Speeren. Könnten wir unsre Schwerter mit Kühnheit
gebrauchen, dann würden die uns nicht überwinden! Versuchen wir
heldenhaft wo wir hinausdringen!«
Der Garten war rings umgeben mit einer Mauer wie eine Burg.
Da sah Hagen ganz links zum Garten, wo die Mauer mehr morsch war, dahin
liefen sie alle tatenfroh, und brachen da mit aller Kraft nach außen
hin durch.
Nun sprang Hagen hinaus und seine Brüder mit ihm und noch mehr
Niflungen.
Als sie nun hinauskamen zwischen Häuser in eine enge Gasse, da
trat ihnen Herzog Osid mit seinem Bannertrupp entgegen, und es entstand
zwischen ihnen ein harter Kampf.
Da bliesen die Hünen in ihre Hörner und ließen rufen,
die Niflungen wären aus dem Garten herausgekommen. Nun strömten
alle dorthin, in solcher Übermacht, dass die Niflungen wieder zurück
in den Garten flüchteten.
326.
Dort stand ein gemauerter Saal; dorthin kam Hagen zur Tür, die
war verschlossen; er wandte seinen Rücken zur Tür und hieb Einen
über den Andern. Einige verloren die Arme und einige die Füße
und einige das Leben. Und die drangen so heftig auf ihn ein, und er wehrte
sich so heldenhaft, dass man über tote Männer gehen konnte wohl
einen Armhoch über der Erde. Da hatte Hagen noch keine Wunde.
Herr Didrik stand dort ganz nahe oben auf einem Ausbau, auch alle seine
Mannen, wohlgewaffnet. Dorthin kam Gernholt, wandte den Rücken an
eine Wand, wehrte sich mannhaft und erschlägt manchen Mann. Die Hünen
drangen dort hart auf sie ein.
Gernholt sagte zu Didrik-König: »Wohl könntest du hergehn
mit deinen Mannen und uns helfen. Und lass nicht wenige Männer sich
schlagen mit so vielen Männern!«
Herr Didrik antwortete: »Mein guter Freund Gernholt! Das ist
mir ein großer Schmerz: Ich verliere manchen guten Freund, ich kann
nichts dazu tun. Ich will nicht kämpfen mit König Attalas Volk;
nichts Übles will ich auch euch tun dass ich etwa davon weiß.«
327.
König Gunnar war im Garten. Er hörte, dass seine Brüder
Beistand brauchten. Deshalb kam er mit seinen Mannen heraus durch die Bresche,
die sie in die Mauer gebrochen hatten.
Dort stand außen davor Herzog Osid und viele Hünen mit ihm.
König Gunnar ging tapfer gegen sie vor, so dass keiner seiner Mannen
stark genug war, ihm zu folgen. Da traf auf ihn Osid-Jarl, Attalas Neffe,
mit vielem Volk. König Gunnar wehrte sich mannhaft den ganzen Tag
über. Er hatte keine Hilfe, sondern stand allein mitten im Hünen-Heer
und war da so müde, er musste sich gefangen geben. Sie griffen ihn
und banden ihn und führten ihn zu Attala-König. Da ließ
der König den König Gunnar in seinen Schlangenturm werfen, und
dort ließ König Gunnar sein Leben. Derselbe Turm steht noch
mitten in Susa.
328.
Das hörten Hagen und Gernholt, dass ihr Bruder König Gunnar
gegriffen worden war. Da sprang Hagen vor, von der Tür und hinaus
auf die Gasse, und hieb über den Haufen jeden Mann, den er traf. Und
da traute sich keiner, ihn zu erwarten. Gernholt tat desgleichen und hieb
mit beiden Händen. Sein Schwert stand erst in der Erde still, auf
welchen Helm er auch hieb; und ihm folgt mutig Herr Gislher und schlägt
manchen Mann mit seinem Schwert Gram.
Da drangen die Niflungen so ungestüm aus dem Garten, dass die
Hünen vor ihre Füße stürzten; und in großen
Haufen begannen die Hünen zu fliehen, jeder in seine Halle. Attala-König
ging auf den Turm und ließ die Tür wieder schließen und
verwahrte sich, dass die Niflungen nicht zu ihm kämen.
Da erhoben die Niflungen lauten Heerruf: die Hünen würden
fliehen, und riefen, sie wollten ihren Schaden rächen. Die Hünen
flohen trotzdem. Und nun wurde es sehr dunkel von der Nacht. Doch die Niflungen
suchten unten um die ganze Burg und schlugen zur Hel alle, die sie fanden.
329.
Der Markgraf Rodinger ging in Didriks Herberge und blieb dort die Nacht
über, und Herzog Osid und Irung-Jarl gingen jeder in seine Herberge.
Da wurde die Nacht so dunkel, dass keiner sehen konnte. Da sammelten sich
drinnen sehr viele Hünen und zogen zuhauf.
Da ließ Hagen in seine Hörner blasen und rief sein ganzes
Volk zusammen und stand oben auf einer Mauer, wo alle Niflungen nahe bei
ihm waren.
Da fragte Hagen Gernholt: »Zähle, wie viel Volk haben wir
verloren mit Gunnar-König! Oder wie viel Volk haben wir noch?«
Sie ordneten ihr Volk aufs Neue und schlugen ihre Banner aus und zählten
ab.
Sie hatten noch siebenhundert, und dreihundert hatten sie verloren.
Da sagte Hagen: »Wir haben noch wieder Volk genug, und es sollen
die Hünen manchen Mann lassen, ehe wir alle zur Erde fallen!«
Das bejahten die Niflungen alle.
Als sie eine Weile geruht hatten und ihre Wunden verbunden, da sagte
Hagen: »Wir können hier nicht fortkommen; doch warten wir diese
Nacht ab, dann sammelt sich hier so viel Volk vom Lande, dass es uns noch
übermächtiger sein wird. Darum wollen wir uns Feuer verschaffen,
damit wir sehen können, und die zur Hel schlagen, die zunächst
hier sind; dann ist unsere Freiheit umso größer!«
Damit lief Hagen und suchte Feuer und zündete ein hölzernes
Kochhaus an, das dort in der Burg stand, so dass das Feuer leuchtete durch
die ganze Burg.
Da ließen die Niflungen ihre Luren blasen und schmähten
die Hünen, und forderten sie heraus, sich mit ihnen zu schlagen.
Doch die Hünen standen oben in den Kampfscharten und schossen
einer nach dem anderen und warfen auf die Niflungen, so taten es auch die
Niflungen wieder auf sie. Doch wollten die Hünen nicht heruntergehen,
mit den Niflungen vor Tag zu kämpfen. Dennoch schlugen die Niflungen
viele zur Hel diese Nacht.
330.
Am Morgen früh gingen die Hünen herunter, und viele waren
über Nacht aus den Harden herein gekommen; sie ordneten ihre Trupps
aufs Neue, und dasselbe taten die Niflungen, und traten gegeneinander an
und kämpften.
Grimhild trieb die Hünen an, scharf vorzugehen; und sie bot ihnen
dafür Gold und Silber.
König Attala war dort nicht in der Nähe.
Da kamen zusammen Herzog Osid und Gernholt – und kämpften lange
miteinander. Gernholt ging äußerst mannhaft gegen ihn vor und
hieb auf seinen Hals, dass das Haupt abflog.
Als der Herzog tot war, freuten sich die Niflungen mächtig und
sie gingen scharf vor. Gernholt hieb zu beiden Seiten. Da litten die Hünen
großen Schaden.
331.
Als Markgraf Rodinger erfuhr, dass Herzog Osid erschlagen war, da wurde
er ganz wütig und ließ sein Banner mitten in das Niflungen-Heer
tragen und folgte selbst mannhaft und tat den Niflungen großen Schaden.
Da ging Hagen vor, mitten ins Heer und hieb zu beiden Händen,
und machte einen Weg quer durch ihr Heer, und keiner traute sich, ihm so
nahe zu kommen, dass sein Schwert ihn erreichte. Hagens ganze Hände
und all seine Rüstung waren blutig, so weit kam er voraus in ihr Heer,
dass keiner seiner Mannen sich traute, ihm zu folgen oder zu helfen.
Darum wandte er sich zu einem gemauerten Saal und zerschlug die Tür
und ging dort hinein und ruhte sich eine Weile aus. Markgraf Rodinger kämpfte
mannhaft und tat den Niflungen großen Schaden.
332.
Nun stürmten die Hünen heftig gegen die Tür der Halle
in der Hagen war. Er wehrte die Tür vor ihnen und erschlug dort manchen
Mann.
Da sah Grimhild, wo Hagen stand und manchen Mann tötete; nun hieß
sie Feuer auf den Saal werfen, denn das Dach war ganz von Holz.
Da stand einer dabei, der Irung hieß; er war der Königin
guter Freund.
Darum sagte sie zu ihm: »Geh hinein in den Saal zu ihm und bringe
mir sein Haupt wieder heraus, dann fülle ich deinen Schild voll mit
Gold!«
Da sprang Irung durch die Tür, hieb in seinen Schenkel, dass die
Brünne zerbrach, und ein Stück aus dem Schenkel (Mb:
so
viel, wie das größte Stück, das für den Kessel gehauen
wird).
Dann sprang Irung aus dem Saal hinaus; da sagte Grimhild zu ihm: »Du
bist ein trefflicher Mann, ich sehe nun, dass Hagen blutet. Geh nun zu
ihm, dann wirst du schnell sein Tod!«
Dann nahm sie zwei Goldringe und band sie um Irungs Helmband, und sagte:
»Hau nun Hagens Haupt ab, dann will ich dir Gold und Silber geben,
wie du haben willst.«
Da sprang Iron-Jarl (Irung) in den Saal.
Da nahm Hagen eine Spießstange und stieß gegen ihn unter
dem Schild her und durch Brünne und Brust, so dass er an den Schultern
herausstand, und er stürzte tot auf das Pflaster, und das heißt
noch heute »Irons Weg«.
Hagen sagte: »Hätte ich Grimhild so ihre Bosheit vergolten,
wie ich Irung meine Wunde vergalt, so hätte mein Schwert mannhaft
gefochten im Hünenland.«
333.
Markgraf Rodinger geht tapfer vor und tut den Niflungen großen
Schaden.
Auf ihn traf der junge Gislher.Sie kämpften beide lange und heldenhaft.
Gislhers Schwert biss so gut auf Stahl wie auf Kleider, beides, Helme
und Schilde und Brünnen, dass nichts vor ihm standhielt. Da bekam
der Markgraf manche Wunde, bis er stürzte und gleich starb, durch
dasselbe Schwert, das er Gislher gab.
334.
Gislher und Gernholt gingen mannhaft vor und kamen zu dem Saal in dem
Hagen war, und gingen hinein zu ihm.
Das sah Folkward-Spelemann. Er drang tapfer ihnen nach und hieb einen
Mann auf den andern und ging so zu dem Saal, dass er nicht auf bloße
Erde trat, sondern auf tote Körper.
Hagen fragte: »Wer bist du, der so mutig vorangeht? Und hierher
zu mir!«
Folkward antwortete: »Ich heiße Folkward Spelemann, dein
guter Freund! Sieh welchen Weg ich gemacht habe hierher zu dir!«
Hagen antwortete: »Habe guten Dank dafür! Dein Schwert soll
wohl Sorgen schaffen im Hünenland.«
335.
Das sah König Didrik von Bern, dass der Markgraf tot war.
Er sagte zu seinen Mannen: »Wir können nicht länger
ruhig stehen. Wir werden Markgraf Rodingers Tod rächen und mit den
Niflungen kämpfen!«
Alsbald sprang er mitten auf die blutige Gasse.
Für Männer war nicht gut stehen zwischen Niflungen und ihm.
Und das sagen deutsche Männer, dass man da hören konnte des Ekkisax
Sang auf den Helmen der Niflungen.
Denn Herr Didrik war ganz grimmig. Die Niflungen wehrten sich tapfer.
Dort stürzten viele von Herrn Didriks Mannen und Niflungen mit.
Da ging Herr Didrik ganz hart vor, so dass Hagen und Gernholt und Gislher
und Folkward-Spelemann zurückweichen mussten hinein in den Saal. Didrik
drang ihnen nach und Meister Hillebrand.
Herr Didrik kam zur Tür, da stand Folkward und wehrte die Tür
vor ihm. Herr Didrik hieb auf Folkwards Hals, so dass Folkwards Haupt dem
Schwert folgte. Da sprang Hagen gegen Herrn Didrik und Gernholt gegen Hillebrand.
Und Hillebrand hieb auf Gernholt mit seinem starken Schwert Lagulf,
so dass Gernholt die Todeswunde empfing und gleich tot vor seine Füße
fiel.
Da waren noch einige wenige Kampffähige übrig: Didrik und
Hillebrand, Hagen und Gislher.
336.
Da ging Attala-König dahin, wo sie sich schlugen.
Da sagte Hagen zu Attala-König: »Handle wie ein Edelmann
und gib diesem Jungherrn das Leben! Das ist Gislher, er kann noch ein guter
Held werden; denn er ist schuldlos an Jung-Sigfrids Tod, ich allein tötete
ihn, lass das nicht Gislher entgelten, und wenn er leben mag, kann er ein
Edelmann werden!«
Da sagte Gislher: »Ich war erst ein Jahr alt, als Jung-Sigfrid
erschlagen wurde, und ich bin schuldlos an seinem Tod, das weiß meine
Schwester Grimhild. Nicht sage ich dies aus Furchtsamkeit. Ich will mich
wehren so lange ich kann, und will mir nicht wünschen, meine Brüder
zu überleben.«
Dann drang er auf Hillebrand ein und hieb einer auf den andern, und
es ging aus, wie zu erwarten war, dass er (Hillebrand)
ihn so schlug, dass er gleich niederfiel und starb.
337.
Da sagte Hagen zu König Didrik: »Nun sehe ich, dass unsre
Freundschaft sich scheiden wird, die wir bisher gehalten haben, und nun
will ich auf dein Ärgstes aus sein, dass entweder du stirbst oder
ich. Und führen wir diesen Kampf auf ritterliche Art, und keiner erbitte
sich Hilfe dabei!«
Da antwortete Didrik: »Ich bitte keinen, in diesem Kampf mir
zu helfen, und ich will dich noch mit Kunst und Kühnheit bezwingen!«
Sie schlugen sich lange und hart, und keiner konnte erkennen, wer von
ihnen gewinnen würde; bis sie beide ermattet waren und übel wund.
Da wurde Didrik so grimmig und grobgelaunt und grollte, dass ein einzelner
Mann ihm so lange widerstehen sollte.
Da sagte Didrik: »Das ist eine große Schande, dass ein
Elf-Sohn so lange vor meinen Händen stehn soll!«
Da antwortete Hagen: »Es ist nicht schlimmer, ein Elf-Sohn zu
sein als ein Sohn des Teufels!«
Da wurde König Didrik so wütig, dass ihn Feuer durchfuhr,
und Hagens Brünne, Schild und Helm wurden so heiß, dass sie
ihn fast versengten.
Da sagte Hagen: »Nun bin ich blutig und brandig von meinen Brünnenringen.
Wäre ich so Fisch, wie ich Mensch bin, dann wäre ich längst
gebraten, und ein Großteil meines Körpers ist so gebraten –
man könnte mich essen. Darum ergebe ich mich nun.«
Da nahm Didrik ihm sein Schwert und seinen Helm und die Brünne
ab.
338.
Da nahm Grimhild einen brennenden Brand, und stieß ihn ihrem
Bruder Gernholt in den Mund; und (sie wusste) er war
tot.
Darauf stieß sie den Brand in Gislhers Mund. Er war da noch am
Leben, doch von der Flamme und dem Rauch starb er.
Da sagte Didrik zu Attala-König: »Nun kannst du sehn, was
für ein Teufel deine Ehefrau ist, und wie sie ihre Brüder zu
Tode quält, die schnellen Helden, und wie mancher Mann sein Leben
gelassen hat durch ihre Schuld, Niflungen und Hünen. Und gerne wollte
sie, dass auch du und ich erschlagen würden.«
Da sagte Attala-König: »Lieber Didrik, erschlage sie, sie
ist gewiss ein Teufel! Hättest du das vor sieben Tagen getan, dann
wäre manch wackerer Mann noch am Leben, der jetzt tot ist!«
Da sprang Didrik-König zu Grimhild und hieb sie mitten durch.
339.
Darauf ging er zu Hagen und fragte, ob er sich zutraue, am Leben zu
bleiben, wenn er einen guten Arzt bekäme.
Hagen antwortete: »Noch lebe ich einige Tage, doch währt
das nicht lange wegen meiner großen Wunden.«
Daraufhin ließ Herr Didrik Hagen in seine Herberge tragen und
seine Wunden verbinden. Herr Didrik hatte eine Verwandte, die hieß
Jungfer Märeth, sie verband Hagens Wunden.
Hagen sagte unter vier Augen zu Herrn Didrik: »Schaffe mir eine
Frau für die Nacht, mich verlangt sehr danach.«
Herr Didrik tat, wie er bat. Sie lag bei Hagen zur Nacht.
Am Morgen früh sagte Hagen zu ihr: »Du wirst einen Sohn
gebären, lass ihn Aldrian nennen! Und hier hast du die Schlüssel,
die gehn zum Sigis-fröd-Keller; dort liegt das Gold, das man Niflungen-Schatz
nennt. Die Schlüssel sollst du meinem Sohn geben, wenn er mannbar
geworden ist.«
Danach starb Hagen.
Nun waren auch die meisten tot, von Attalas Volk wohl viertausend und
Herrn Didriks – Niflungen fielen um eintausend.
Das sagen deutsche
Männer, dass kein Kampf berühmter gewesen ist in alten Sagen
als dieser. Nach diesem Kampf entstand eine so große...
(Hier fehlen zwei Zeilen in der Urschrift, daher aus
Mb:)
...Verödung an edlen Männern im Hünenland, dass in den
Tagen Attlala-Königs nicht bestand ein gleich großer Männer-...
...Reichtum im Hünenland, denn das Volk war meist zur Hel geschlagen.
Da war das wahr
geworden, wie es Ercha-Königin sagte dem Attala-König als sie
starb, dass Hünenland Schaden erleiden würde, wenn der König
eine Ehe einginge im Niflungenland.
Das kann einer
von denen sehen, die nach Susa kommen, die Ungeheuerlichkeiten, die da
geschahen, den Garten, der Niflungen-Garten genannt wird, und den Schlangenturm
und den Weg, der noch Irungs-Weg heißt; und manche anderen merkwürdigen
Dinge, die da geschahen.
Hierüber
sind mehrere Bücher geschrieben und bewahren dies alles.
365.
König Attala im Hünenland war zu der Zeit ein alter Mann.
Er zog Aldrian auf, den Sohn Hagens von Tröuia, den dieser zeugte
mit der Frau, die bei ihm lag eine Nacht, bevor er starb. König Attala
hatte auch einen Sohn, der war zwölf Jahre alt. So war auch Aldrian
Hagenssohn. Seiner Mutter Mutter zog sie beide auf.
Es war eines Abends. König Attala saß bei Tisch. Vor ihm
stand Aldrian Hagenssohn und hielt Fackel vor ihm. Da fiel ein Brand von
der Fackel und auf Aldrians Fuß und brannte durch den Schuh und nieder
in den Fuß. Davon merkte Aldrian nichts.
Da sprach der König zu ihm: »Was denkst du, Aldrian? Merkst
du nicht, dass das Feuer dich brennt?«
Aldrian antwortete: »Ich sah dies: dass vor dir liegt gut Weizenbrot
und leckere Speise, und du trinkst guten Wein. Da dachte ich, dass der
Tag kommen würde, wo du Gerstenbrot äßest und tränkst
Wasser danach, wenn du's bekämest.«
König Attala antwortete: »Warum denkst du, ich sollte Gerstenbrot
essen oder Wasser trinken? Das geschah mir oftmals auf Heerfahrt in meiner
Jugend, als ich beides tat, hungerte und durstete; doch nun bin ich so
alt, dass ich nie öfter in solche Not komme.«
Nun sprachen sie nicht mehr davon; und Aldrian dachte beständig
darauf, wie er seinen Vater rächen würde und seine übrigen
Verwandten.
366.
Es war ein Tag, dass König Attala in den Wald ritt, sich zu erlustigen
und Tiere zu jagen.
Alle seine Leute verirrten sich von ihm außer Aldrian Hagenssohn.
Aldrian sagte zu Attala: »Wieviel Gold und Silber besaß
Jung-Sigfrid?«
»Das, was Niflungen-Schatz genannt wird, das ist das meiste Gold,
das ich auf einer Stelle weiß.«
Aldrian fragte: »Wer verwahrt das Gold?«
Attala antwortete: »Ich weiß nicht, wer das verwahrt; ich
meine, das verwahrt kein Mensch; denn das ist in der Erde vergraben.«
Aldrian antwortete: »Was willst du dem Manne geben, der dir den
Niflungen-Schatz weist?«
König antwortete: »Ich will ihn reicher machen als irgend
einen in meinem Reich.«
Da sagte Aldrian: »Hältst du dein Wort, dann will ich dir
den Niflungen-Schatz weisen.«
König bat, ihn ihm zu weisen.
(Aldrian:) »Da wollen wir reiten, wir zwei
alleine, so dass niemand uns folgen soll!«
König antwortete: »Das mag wohl werden.«
Aldrian sagte: »Reiten wir heim im Dämmern, wenn ihr wollt,
dann will auch ich euch folgen.«
Und so taten sie.
367.
Einige Tage danach reiten sie weg in den Wald, König Attala und
Aldrian. Ihnen begegnete keiner, und keiner konnte ihnen folgen.
Sie kamen zu einem Berg.
Dort nahm Aldrian Schlüssel, die zum Berge gehen, und schloss
drei Türen auf, und ging hinein in den Berg mit Attala-König
und sagte: »Sieh hier nun den Niflungenschatz! Hier ist das Gold,
das Jung-Sigfrid besaß und Gunnar-König und Hagen von Tröya.«
Attala-König stand lange und sah auf das Niflungen-Gold.
Und war ganz vergnügt und meinte, er wäre nun der reichste
König, den es bisher gab.
Da sprang Aldrian zu den Türen hinaus und schloss alle die drei
Türen wieder zu.
König Attala sagte: »Mein guter Freund Aldrian, komm herein
zu mir! Das Gold und das Silber ist alles dein!«
Aldrian antwortete: »Du magst nun haben Gold und Silber zum Todestag.
Doch ich habe lange gelebt mit wenig Gut; nun reite ich in den Wald und
vergnüge mich!«
Darauf schloss er alle drei Türen wieder und wälzte groß
Berg und Steine darauf. Da kam Attala-König in den Sinn, dass der
Knabe seinen Vater rächen wollte und die anderen Niflungen.
Drei Tage danach kam Aldrian wieder.
Da hatte König eine Tür zerschlagen und rief zu Aldrian:
»Lass mich hinaus! Ich will dir geben Gold und Silber, und mache
dich zum König über Hünenland und büße dir deines
Vaters Tod. Darum sollst du auch all das Gold haben, das hier im Berge
ist, und noch mehr dazu. Und niemals will ich an dir rächen, was du
jetzt mir getan hast!«
Aldrian antwortete: »Du begehrtest allzeit den Niflungen-Schatz,
da mein Vater lebte. Nun hast du die Gnade von Gott, dass du nun das Gold
und Silber besitzt, das viele Könige und Herren zusammen brachten.
Ich meine, der Tag ist nun gekommen, dass du gerne Gerste äßest
und Wasser tränkst.«
Attala antwortete: »Das weiß Gott, das wäre nun eine
süße Speise, Gerste essen und Wasser trinken!«
Aldrian antwortete: »Du warst allzeit begieriger, Gold und Silber
zu trinken und zu essen; hiernach hat dich lange gehungert.«
Danach trug er Steine und Rasen vor die Türen, dass König
dort niemals lebend herauskommen würde.
368.
Darauf stieg er zu Ross und ritt ins Niflungen-Land zu Königin
Brünhild, König Gunnars Witwe, und sagte ihr von seiner Fahrt,
wie er gerächt hatte Hagen, seinen Vater, und König Gunnar und
die andern Niflungen.
Sie sagte ihm großen Dank und rief ihr Volk zusammen und sagte
ihm diese Zeitung, wie es ergangen wäre. Dann gab sie Aldrian viele
Ritter und Reisige.
Darauf ritt er aus mit viel Volk und Heer und gewann viel vom Niflungenland,
und wurde dort König solange er lebte.
König Attala starb in dem Berg.
Seitdem ward der Niflungen-Schatz niemals gefunden; weil Aldrian, der
es allein wusste, danach nie mehr in den Berg kam nach König Attala.