Von: "Rolf Badenhausen" <"via drb@mailer0002 site:http://www.badenhausen.net">
An: <redaktion.rn@mdhl.de>


Betreff: Gegenteiliges zum "Indiana-Jones-Effekt"
Datum: Donnerstag, 25. Juni 2009 11:13



Sehr geehrte Frau Jäger,

im Kulturteil der "Ruhr Nachrichten" vom 24.6.2009 zitieren Sie Ritter-Schaumburgs Buch "Hermann der Cherusker" mit den Worten "wissenschaftlich total überholt".

Woher haben Sie diese Formulierung? Falls Sie dieses Buch je gelesen haben sollten, dann frage ich mich, woher Sie jenes Minimum an journalistischer Sorgfaltspflicht genommen haben, um zu einem solchen Urteil zu gelangen.*

Von Ritter-Schaumburg unabhängige wie aktuelle Varus-Forschungen haben wiederholt erkennen lassen, dass selbst ohne seine nicht mögliche Kalkriese-Bewertung  – wohl aber den von ihm bewerteten Barenauer Münzfunden – seine Folgerungen zur Varusschlacht weitgehend mit den kritischen Betrachtungen z. B. des Hamburger Univ.-Professors Siegfried G. Schoppe harmonieren [...]

Ich gehe davon aus, dass [...] Ihr nirgends begründetes Pauschalurteil über Ritter-Schaumburgs Buch nur mit einer Gegendarstellung beantwortet werden kann. Es sei denn, Sie würden sich mit einem künftigen Beitrag über diesen Themenkomplex zu einer zumindest ansatzweise fundierten Neubewertung entschließen.

Mit freundlichem Gruß

Rolf Badenhausen
 

 

(Auf Bitten einer weiteren, jedoch im Kontext nicht öffentlich zu nennenden Person gekürzte und orthografisch korrigierte Fassung.)

* Hierzu der Fachanwalt des Verfassers:

„Mit ihrer am 23. Juli 2009 beim Verfasser eingegangenen Bezugnahme auf den Wortlaut  dieses Textes hat sich die Adressatin u. a. auf massive Drohungen ethisch-juristischer Art verlegt, darunter auch die Entfernung des mit vorstehendem Fußnotenzeichen gekennzeichneten bzw. endmarkierten Passus gefordert.

     Dagegen stellt der Verfasser fest, dass Formulierung und stringente Auslegung des Inhalts dieses Textabschnitts sehr wohl voraussetzen und verdeutlichen, dass die Adressatin für ihren Presse-Beitrag vom 24. Juni 2009 nach ihrem Wertungshorizont ein Minimum an journalistischer Sorgfaltspflicht in Anspruch genommen haben mag. Zugleich und in diesem Kontext darf sich der sachkundige Verfasser gleichwohl die Frage stellen, ob die Adressatin das Rezensionswerk aufmerksam gelesen hat und woher oder worauf sich dann – bei sorgfältiger Recherche – das von ihr mit lediglich drei Worten ausgedrückte Rezensionsurteil stützt.

     Insoweit ist mit dieser Feststellung des Verfassers, und dies dürfte nicht zuletzt die Rechtsprechung mit heranziehbaren Präzedenzfällen zum Wortlaut der gekennzeichneten Formulierung bestätigen, ehrverletzender oder Ruf schädigender Inhalt hier nicht zu indizieren.

     Der Verfasser des oben zitierten Textes ist nach der gegenwärtigen Sachlage nicht verpflichtet, Änderungsvorstellungen der Adressatin in bzw. zu seiner Darstellung zu bringen. Aufgrund der spielraumlosen Härte im Schreiben der RN-Kulturredaktion vom 23. Juli 2009 an den Verfasser distanziert sich dieser von seinem ursprünglichen Angebot, diese Seite oder Teile von deren Inhalt unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Netz zu entfernen.“

Die Adressatin krönt ihr Schreiben vom 23.07.2009 noch in der Form, dass sie dem Verfasser ein sehr kurzfristig bemessenes Ultimatum zur Entfernung des von ihr beanstandeten Textabschnitts stellt. Anscheinend sprechen sich die „Ruhr Nachrichten“ kraft ihrer Kulturredakteurin eher mit Einschüchterungsvokabular denn juristisch weiter verfolgenswerter Grundlage für die Zurücknahme des besagten Passus’ aus. (Wäre oder sollte dies wider Erwarten des Verfassers tatsächlich geschehen, könnten aufmerksame Leser aus der Gegenüberstellung eines jenen Text ersetzenden und sicher unanfechtbaren Alternativarguments zum zitierfähig disponierbaren Originalwortlaut eine wohl kaum von der Adressatin beabsichtigte Sinnumkehrung assoziieren. Womit übrigens selbst der Verfasser dem offensichtlichen Interessen- und Korrespondenzschwerpunkt der Adressatin unter Umständen und Vorbehalt entsprechen könnte.)

Ob diese redaktionelle Einlassung von Frau Bettina Jäger für die Lesergunst und Reputation eines immerhin angesehenen Presseorgans schlussendlich eher abträglich als nützlich ist, dürfte sich wiederum an der Inanspruchnahme von eMail-Adresse und Netz-Kontaktformular des Verfassers messen lassen ...

Zum Thema: „total überholt“ und „aktuell wenig widerlegbar“ 

Ein weiteres Beispiel für den Aktualitätswert der römisch-germanischen Schauplatz-Lokalisationen von Ritter-Schaumburg, ein unschwer erkennbares Schwerpunkt-Thema seiner Cherusker-Analyse, ist die 2008 von Wolfgang Lippek/Wolfgang Schlüter herausgebrachte Publikation „Die Schlacht – Plausible Gründe zur Varuskatastrophe in Ostwestfalen-Lippe“ (ISBN 978-3-9806268-6-6). Auch diese Neuerscheinung zur Varusschlacht-Diskussion kann mit ihren Wertungskriterien einen leicht verständlichen Ritter-Schaumburg weder ersetzen noch ablösen – auch wenn Satzstilistik und Orthografie nicht immer den gegenwärtigen Erwartungen entsprechen. Vielmehr untermauern seine aus römischen Geschichtsüberlieferungen z. T. eingehend abgeleiteten toponymischen und geografischen Verortungen die weiter zunehmenden Vorbehalte gegenüber der Kalkrieser Fundkartografie als (ein) Ort der Varusschlacht.

Ritter-Schaumburg behandelt den verheißungsvollen, ihm posthum angehefteten Untertitel seiner Neuauflage sicher nicht in dem Maß, wie dies mit grundsätzlich möglichem Interpretationsspielraum vielleicht erwartet werden könnte. Wer Karl den Großen als einen kontinentalhistorischen Hermann-Nachfolger thematisiert sehen und dabei sein Unterwerfen sächsischer Völker verkennen möchte, den z. B. von Martin Luther und Heinrich von Kleist gepriesenen Sieger- und Führungsmythos deutscher Nation verstehen und die scheinbar bis in die NS-Zeit reichende bzw. von ihr aufgesogene Identifikation hinterfragen will, wird sich eher dort umsehen müssen, wo Vita und Profil des historischen Arminius weniger detailliert hinterfragt werden.

Eine nach dem Lesen von Ritter-Schaumburgs Cherusker-Buch aus scheinbar engem geschichtlichen Kontext auftauchende Frage, ob nach einem Triumph des Varus oder seines Nachfolgers Germanicus deutlich mehr Pastaküchen und Pizzabäckereien den somit unabdingbaren Vino-Rosso-Atlas zwischen Rhein und Weser ausgefüllt hätten, darf höchstwahrscheinlich getrost verneint werden: Gegen Ende des 5. Jahrhunderts jagten einst völlig unterworfene linksrheinische Völker die letzten imperialen Statthalter aus dem Land ihrer Vorväter.

Kritik an Ritter-Schaumburg will andeuten, dass er seine unverhohlene Sympathie für einen Landesverteidiger und Nationalhelden, der erbarmungslos expansive, bis an den Rand oder in den Bereich von Völkermord gehende Aggressoren eines Besseren belehrte, nicht mit einem deutlichen Warnhinweis zu möglichen Gefahren und Nebenwirkungen gekennzeichnet hat.

WIKIPEDIA, quo vadis? – Beispiel Ritter-Schaumburg und „Varusschlacht“

Einem Ex-Bestseller wie Ritter-Schaumburg, der trotz und scheinbar wider besseres Wissen geradezu ungefragt, „unwissenschaftlich“, überflüssigerweise das mutmaßlich geheiligte wie zur „Kalkrieser Varusschlacht“ allenfalls pseudowissenschaftlich haltbare Grabungsterrain zunächst und anscheinend zurecht ausklammern durfte, soll nach den Vorstellungen dubioser Mediengestalter nun doch nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gegönnt werden.

Und vor allem dort nicht, wo sich eine zumeist hinter Pseudonymen verbergende Spezies tummelt, die den enzyklopädischen Begriff im zunehmend fragwürdig eingeschränkten Sinn verwendet. Die Zensur von Ritter-Schaumburg im deutschen Wikipedia („Varusschlacht“ –> „Diskussion“; Juni 2009, jetzt entfernt) liefert vielmehr jene Plots an Pauschalitäten, Präjudizierungen und unfundierten Wertungssprüchen einer sich erkennbar abschottenden Clique, deren Absage an Ritter's substanziellen Folgerichtigkeiten offensichtlich nur von namentlich maskierten Rezensenten vertreten werden kann. Ist also solcher Spezies die Erkenntnis zumutbar, dass wegen einer Reihe noch offener Fragen sich nur bedingt vergleichbare Quellen aus unterschiedlichen, teils schwieriger Abwägungen bedürfenden, teils aber auch ergänzenden Perspektiven nicht im Wesentlichen gegeneinander ausspielen lassen? Und so sollen es u. a. jene scheinbar bis in die römische Zeit datierbaren Horner Hufeisenfunde sein, mit denen nun doch eher der Germane seine Ponys denn ein für Rom tätiger Schmied gar imperiale Rösser beschlagen haben, somit noch Kurt Stades altwissenschaftliche Kartografie von römischen Siedlungs- und provisorischen Lagerstätten gesäubert werden soll.

Mit welchen faktisch wie auch insgesamt sachthematisch vertretbaren Einwänden wollen diese Rezensenten den auflagenstärksten Autor aus ihrem Netz verbannen? Wirklich damit, dass sie eine 1988 präsentierte Arminiusforschung mit nirgends plausibel begründetem Verfallsdatum als obsolet bezeichnen? Wirklich damit, dass Ritter-Schaumburg zwar in Literaturwissenschaft promoviert hat, aber schließlich doch kein studierter (Alt-)Historiker ist, um ihre beschränkten oder beschränkenden Vorstellungen zu befriedigen?

Zu denken gibt das nicht nur auf jener Wikipedia-Diskussionsseite erkennbare Gefälle zwischen dort um Versachlichung bemühten, doch zum Scheitern verurteilten Beitragsgestaltern.

Passend zum aktuellen bzw. am 22.09.2009 publizierten Aufruf der Wikipedia-Macher Snow und Wales, für ihr eifrig genutztes Medium jetzt neue Perspektiven und Zielvorgaben zu machen, erschien einige Tage zuvor auf oben genannter Diskussionsseite der Thread (Varusschlacht-) Datum. Seine von einer zertifizierten Übersetzerin ins Englische gebrachte Fassung wird – sicher im Paket mit weiteren Fällen – demnächst beide Herren auf einem wohl kaum von deutschen Wikipedia-Funktionären kontrollierten Bearbeitungs- oder Verarbeitungsweg erreichen. Post, mit der die Frage gestellt wird, ob in ihrem evolutionären Info-Revier gestört umhergallopierende Oberhirsche, wandelnde Schlafmützen und herumschwafelnde Rausschmeißertypen noch eine Zukunft haben sollten.

 

Rolf Badenhausen

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