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       01.11.2025 Rolf Badenhausen Thidrekssaga und Eddalieder:   
 
 Als sich Atlis Bote Gudruns
Brüdern
vorstellt ist bereits von gefürchtetem Hun Obwohl nicht nur Heusler und Genzmer, hier apodiktisch den Burgundenuntergang vor Augen, bei diesem Eddalied möglichst unspezifiziert von Gudruns Rache sprechen (vgl. auch Heuslers Vorwort zu den Atlamál), lässt sich aus beiden Liedern nicht Gudruns Verrat und Rache an ihren Brüdern folgern. Nach dem Fall der Gjukungen verübt sie vielmehr erschöpfende Rache an Atli: Sie erschlägt die gemeinsamen Söhne Erp und Eitil und führt sie kannibalischer Tradition zu. Später, nach dem Verteilen der Kostbarkeiten aus Atlis Schatzkammern an sein Gefolge und vor dem Niederbrennen seiner Residenz (vgl. mit Saalbrandmotiv im Nibelungenlied!), tötet sie Atli in seinem Nachtlager mit dem Schwert. Der Texter der Atlakviða tradiert einen scheinbar unbedacht agierenden Gunnar: Trotz der Warnung seiner Schwester steht sein Entschluss fest, seinen Schwager ohne Brünne und ausreichendes Kriegsvolk aufzusuchen! Wenn Heusler die Auffassung vertritt, dass dieses ins späte 9. Jh. datierbare Lied wie nur wenige Gedichte durch so viele Hände gegangen ist, dann sollte man sich um so mehr über Gudruns überlieferte Positionierung als Bruderrächerin wundern. 
 Die entstehungszeitlich schwieriger einzuordnenden grönländischen Darstellungen der Schicksale von Gudrun, ihren Brüdern und Atli werden überwiegend dem 12. Jh. zugeschrieben und lassen gegenüber dem älteren Atlilied bemerkenswerte Stoffanreicherungen erkennen. Gleichwohl kennen wir den Wirklichkeitssinn der isländischen Saga, meint jedoch Heusler in seinem Kommentar zu diesem Heldenlied, das zu keineswegs wenigen erzählerischen Details der älteren Überlieferung neue wie mitunter auch schwierig vereinbare Varianten erschlossen haben will (vgl. Gunnars Schlangentod). So belehrt die isländische Tradition die Atlakviða auch mit einem Boten Atlis, der nicht nur namentlich, sondern auch durch seinen erweiterten Rollenpart von seinem Vorgänger deutlich zu unterscheiden ist. Die unverkennbare Grundtendenz, vor allem die Zwiegespräche zwischen Atli und Gudrun im Interesse an eskalierender Actio und Reactio zu psychologisieren, hebt das jüngere Drama von seinem Vorläufer deutlich ab. Wie bereits der dritten Strophe der jüngeren Tradition zu entnehmen ist, hat Gudrun längst von Atlis Hinterlist gehört und will ihren Brüdern daher eine Runen geritzte Warnung zukommen lassen. Zwar wird diese von Atlis Boten Wingi erkannt und geändert, aber am Hof ihrer Brüder noch rechtzeitig entschlüsselt. Doch hier ist es nicht nur Hǫgnis Frau Kostbera, die den geplanten Verrat wittert. Auch Gunnars Gemahlin Glaumvǫr konfrontiert schließlich den hinterlistigen Boten mit ihrer Vorsehung. Zwar wiegelt er beschwörend ab, doch später, auf der Fahrt zu Atli, bekennt er sich warnend und dafür sterbend zum ausgemachten Verrat. Nicht ohne Kritik zum Vorgehen und Schicksal von Gudruns Brüdern und Neffen waren zu wenige Krieger gegen Atli gezogen. Hǫgni hatte es längst geahnt, Str. 19, den für beide Seiten stand längst fest, die andere zu vernichten. Gudrun öffnet ihren Brüdern das Tor, ihre Enttäuschung und Wut über Atlis kriegerisches Vorgehen kaum verbergend, Str. 44. Ihre gleichwohl ambivalent erscheinende Begrüßung von Gunnar und Hǫgni wirkt ebenso offenherzig wie pathetisch: „Daheim wollt ich euch halten ... kommen musstet ihr.“ (vgl. Genzmer). Gudruns Versuch, noch Versöhnung herbeizuführen, scheitert. So kämpft sie hart an der Seite ihrer Brüder, schickt mit ihrem Schwert einen Schwager zu Boden und tötet noch einen anderen Mitstreiter aus Atlis Gefolge. Auch hier wird Hǫgnis Herz herausgeschnitten, während Gunnar bis zu seinem Tod eine Harfe mit den Zehen spielen muss. Liest sich so, wie auch in bescheidenerer Vermittlung der Atlakviða, ihre Rache für Sigurð? Atli rechtfertigt
sein martialisches Vorgehen –
seinen gefürchteten Hun Wir erfahren außerdem, dass Atlis Erschlagung im Schlaf auf gemeinsam ausgeführter Rache von Gudrun und dem Hǫgni-Sohn Hniflung beruhen soll (Str. 83). Noch mit seinen letzten Worten wirft Atli seiner Mörderin Drangsalieren seiner Mutter vor und beklagt sich, dass sie sein Streben nach dem Niflungenschatz vereitelt hatte, Str. 90. Und am Ende des Vortrags vom Autor dieser Überlieferung hören wir, dass Gudrun in einen Freitod gehen wollte, der ihr jedoch versagt blieb. 
 Es zeigt sich, dass Gudruns
Rache für Sigurð weder der Atlakviða noch den Atlamál
zugeschrieben werden  Nachdem die Atlamál weder ihr Interesse an die Rheingoldstrophe signalisieren noch Atlis Hortgier so adäquat intonieren wie die ältere Tradition, finalisiert schließlich der Dichter des Nibelungenlieds das Versenkungsmotiv der Atlakviða (Str. 29) mit einer Inszenierung, die vor allem seinem oberdeutschen Hauptdarsteller Hagen gewidmet ist. Ein Zug, der allerdings kaum in das Metier des Quellenlieferanten der historiografisch-chronistischen Handschriften der Thidrekssaga und ihrer altschwedischen Überlieferung fallen dürfte. Der von Teilen der
Quellenforschung im niederdeutschen Kloster Wedinghausen erkannte
Vorlagengeber dieser beiden Überlieferungen stand vielmehr vor der
Aufgabe, seinen Lesern ein ebenso prägnantes wie anhand seiner
Quellen einleuchtendes Motiv für eine (vorläufig) bei Susat
      = Soest abgestoppte
(erste) Territorialausdehnung ostfränkischer, nach den
handschriftlichen
Überlieferungen zumindest linksrheinischer Völkerschaft zu  Nach der Guðrúnarkviða
II (Str. 18) war Gudruns Mutter Grimhild von ihren Söhnen
„heftig begehrend zu hören, wer für den Schwager
Wiedergutmachung leisten, oder wer's entgelten wollte“. Ab Str. 25 dieses Liedes
über Gudruns Vita steht jedoch fest, dass der Vergessenheitstrank
zur Verdrängung der Meucheltat an Sigurð nur vorübergehende 
Wirkung zeigte (vgl. schließlich Str. 30). Für ihre Tochter hatte die 
trügerisch auftretende Grimhild nicht nur das Reich eines übersetzerisch einzudeutschenden „Hlödwers“
– naheliegend das Frankenreich von Chlodwig I. – geboten,
sondern auch den schier unermesslichen Reichtum des niedergermanischen 
Hünen-Hun Zu Sigurðs bzw. Sigfrids Erschlagung finden wir ebenfalls eine wiederum sippenmotivisch ausgerichtete (und auch insoweit begrenzte) Rollenübertragung vom eddischen Guttorm auf Hagen/Hǫgni. Roswitha Wisniewski hat
darauf hingewiesen, dass der niederdeutsche Schriftgelehrte und
Vorredaktor der Thidrekssaga für seine Darstellung vom Untergang
der Niflungen martialische Züge der eddischen Gudrun an
ihren geliebten Bruder Hǫgni offenbar zu überschreiben wusste, 
um (nunmehr folgernd) innovativen, somit auch verdrehenden
Vermittlungskontexten zu entsprechen – übrigens beachte man
daneben Hagens Verstärkung vor allem durch Gernot
auch im Nibelungenlied. Und wie sich zeigt, umfasst eine solche und
wahrscheinlich nicht aus nur einer Feder stammende literarische
Transportation nicht nur die Tötung zumindest eines „Attila“-Grimhild-Sohns
durch einen theatralisch aufgereizten Hǫgni/Hagen,
sondern auch die Wandlung des eddischen Rächerpaares Gudrun
und Hniflung nur auf dessen  Zu mindestens zwei Erzählungskriterien legen die Atlamál eine niederdeutsche bzw. hier offenbar „Soester Quelle“ nahe. Jedoch erscheint auch im jüngeren Atlilied Gudrun als Bruderrächerin und nicht, wie in der Thidrekssaga, ihrer altschwedischen Überlieferung und süddeutscher Tradition verewigt, als Gattenrächerin. Aus den somit deutlich unterscheidbaren Stoffverarbeitungen lässt sich ohne Weiteres jedoch nicht folgern, dass die Auffassung der eddischen Texter in manchem Zusammenhang oder Detail grundsätzlich weiter von ursprünglichem Realkontexten entfernt sein muss. Für Bewertung des „Schuldfragenkontextes“ liefert Sv 304 der altschwedischen Überlieferung den essenziellen Kontext nach der ältesten altnordischen Handschrift:
 Ihm schien es
schlecht/übel, daß er nicht
den Hort erhalten sollte ... – ein Gedenken Atlis nach der
      Atlakviða! Die sich hierzu als eine Art Nachweis
anbietende Rede „Attilas“ in Sv kann in gemeinsamer Aussage jedoch
nicht zwingend als Täuschung Grimhilds und ihrer
Brüder ausgelegt werden. Seine Einlassung darf vielmehr so
aufgefasst werden, dass er – vortäuschenderweise auf friedlichem
Weg? – ein geeintes Großreich mit entsprechend vermehrten
Reichtümern anstrebte. Im Gegensatz zu Sv will uns immerhin Mb 359
der Thidrekssaga verdeutlichen, dass „Attila“ den Hort Sigfrids
stärker verlangt. Er wirkt ungeduldig und fordert: „Nun will ich, Frau, daß du
deine Brüder her ladest ...“  Von ungesparter Verfügbarkeit über all sein Gut ist längst nicht mehr die Rede, denn hier endet seine erkennbar egoistischere und zur Vorsicht mahnende Haltung mit deutlich knauserigen Worten „... und nicht will ich daran sparen, dieses Gastmahl aufs Herrlichste zuzurüsten“. Nach Ankunft ihrer
Brüder in Susa‹t› =
Soest
verläuft Grimhilds Hortfrage und Aufreizungsversuch an
„Attila“ jedoch erfolglos, so auch Sv 319 mit unmissverständlichen
Worten des Hun Man wird aus den Rollenbildern des Gastgebers noch abzuwägen haben, ob sich der Soester Chronist als postulierter Vorlagengeber der Thidrekssaga überhaupt für eine Rezeption des Etzel im Sinne eines möglichst unschuldigen heimatlichen Großkönigs interessieren musste, wenn ihm bereits die Atlamál einen nicht minder sanften Landesvater bestätigen. Gudruns emphatische Worte in Str. 95 (nach Simrock 99) geben noch zu denken: du habest Streit gesucht und Sieg dir erfochten. Stets wolltest du weichen, nicht Widerstand tun, dich heimlich halten, was Hohn schuf dem Fürsten. 
 In den Eddatexten wird an keiner Stelle von Gudruns Anwerbung oder gewährter Hilfe von wenigstens einem Gefolgsmann Atlis gesprochen. Nach den Darstellungen in der Thidrekssaga und altschwedischen Überlieferung soll Ritter Irung ihr einzigster und somit zum Scheitern verurteilter Verbündeter gewesen sein. Auch damit dürfte dem mediävalliterarischen Potenzial einer Rollentransduktion der eddischen Protagonistin auf Hǫgni/Hagen eine klare Grenze gesetzt sein. Widukind von Corvey, dessen chronistische Zuverlässigkeit nicht unerheblich beanstandet wird, überliefert übrigens seinen Edelmann Iring in Diensten einer fränkischen Amalaberga, die er aus einer memorabilis fama als Schwester von einem in thüringischen Beziehungen involvierten Thiadrich rezipiert haben soll. 
 Diese kurze
heldeneddische Prosa zum Untergang der Niflungen findet
sich nicht in der Thule-Ausgabe von Felix Genzmer, der im Vergleich mit
Simrock streckenweise abweichend überträgt. Die Dráp
Niflunga wird hier in der
von Gustav Neckel herausgegebenen Übersetzung von Karl Simrock  
      
 Die einleitende Darstellung dieser kurzen Überlieferung entspricht zwar dem auch von der Vǫlsunga saga eröffneten Motiv für Atlis heimtückische Einladung, jedoch soll Sigurðs Hort im Besitz von Gunnar und Hǫgni durch Gudruns Vermählung mit Atli ausgeglichen worden sein. Der Verfasser der Dráp Niflunga will offensichtlich aber auch darauf hinaus, dass Atli Wiedergutmachung für den Tod seiner Schwester Brynhild (und somit auch deren Nachlass) zustünde. Die von Simrock gelieferte Einleitung in die Guðrúnarkviða II beginnt mit dem Hinweis, dass König Dietrich (Þioþrecr) bei Atli die meisten seiner Mannen verloren hatte. Wie Gudrun schließlich in der Guðrúnarkviða III steigernd behauptet, sollen gar alle Gefolgsmänner von Þioþmars (Dietmars) Sohn in der Niflungenschlacht gefallen sein. Allerdings geht aus beiden Liedern nicht unmittelbar hervor, auf welcher Seite König Dietrich mit seinen Gefolgsleuten gekämpft haben soll. Die Thidrekssaga stellt dessen enge persönliche, durch gegenseitige Unterstützungen in militärischen Aktionen gefestigte Beziehung zu „Attila“ jedoch nicht durch den Soester Niflungenfall in Frage. Der von Roswitha Wisniewski lokalisierte Wedinghausener Chronist verfolgt schlussendlich jene Darstellung von Herrscherablösung und Legitimation, wonach niemand anderem als Dietrich von Bern die Übernahme von „Attilas“ Reich gebührt. Für die mit Erzählstrukturen aus der unmittelbaren Vorlage des oberdeutschen Reimepos rahmende Soester Überlieferung des Niflungenuntergangs sind vermittlerische Transformationen vor allem an den Rollen und Schicksalen von Hagen u n d Hǫgni (vgl. Nibelungenlied und Helden-Edda) deutlich zu erkennen. Die aus unterschiedlichen Motivvarianten unter anderem auftauchende Frage, ob gegenüber einem ungefragt vorpreschenden Hildebrand vielmehr Dietrich von Bern als eigenhändiger Vollstrecker an Grimhild eine heldenepische Emendation aus niederdeutscher oder weiter nördlicherer Feder darstellt, mag also ebenfalls von Interesse sein. Doch andererseits wird sich weniger der nördlichere Saga-Skriptor als vielmehr der niederdeutsche „Chronist“ (Historiograf, vgl. Wisniewski) im Rahmen seiner erzähltypologischen Bandbreite nicht lange nach einem angemessenen Vollstrecker für die Braut des Teufels umgesehen haben müssen. Nach den Berichten und Ritter-Schaumburgs Zeitstellung der Thidrekssaga und ihrer altschwedischen Überlieferung folgt das interpretative Bild zur historischen Frankenexpansion, wonach ein zur Machtenthebung bestimmter ostrheinischer Herrscher mit einer dazu verräterischen Einladung konfrontiert wurde oder sich einer solchen bediente (vgl. bes. beide heldeneddische Lieder). Da die Schlachtereignisse von den nordischen Traditionen auf Atlis bzw. „Attilas“ Boden überliefert werden, könnte er insofern nur als subtil vorgehender Aggressor identifiziert werden. Dieser Fall scheidet aber aufgrund Kriemhilds Rolle im ohnehin historisch transponierenden Nibelungenlied aus, und er ist auch für die aus gegensätzlichen Atli-Etzel-Positionen scheinbar Kompromisse anstrebenden altschwedischen Texte nur schwierig (falls überhaupt) schlüssig darstellbar. Die hier herangezogenen Überlieferungen lassen die vernichtende Niedermachung einer aus westrheinischem Gebiet angerückten Völkerschaft durch einen über familiäre Beziehungen geschürten Verrat erkennen. Diese zur frankenhistorischen Entwicklung aus Wedinghausener Perspektive schlussendlich wegbereitende Niederlage soll für jene niederdeutsche bzw. westfälische Region eine entscheidende verteidigungsstrategische Schwächung bewirkt haben, welche die Thidrekssaga und altschwedische Überlieferung chronistisch ausweisen. Zu der mit diesen Textzeugnissen legitimierten Herrscherablösung eines niedergermanisch- ostrheinisch zu sehenden „Attila“ durch „Dietrich von Bern“ – rezeptionell wie raumzeithistorisch hindeutend auf die von Theuderich I. eingeleitete ostrheinisch-fränkische Präsenz – liegen sonst keine historischen Quellen vor, die hierzu eine plausiblere literarhistoriografische Gegendarstellung rechtfertigen. Offenbar, so die
Thidrekssaga bzw. deren Quelle, darf jedoch bezweifelt werden, dass
für diese fränkische Land- und Machtübernahme weniger
Blut vergossen wurde als andere noch zeitnah berichtende
fränkische und
sächsische Schreiber dazu vollends an Tinte eingespart  
 1 
Im Zwiegespräch über ihre Rache an Atli grämt
sich Gudrun wegen der Erschlagung Sigurðs (vgl. Atlamál). 
Mit dem somit greifbar erscheinenden Vorwurf gegen ihre Sippe ist Sigurðs
Tod allerdings nicht als Gudruns Hauptmotiv
darstellbar, weil sie ihre Verbindung mit Atli als das für
sie schlimmere Los empfunden hat.  2 
Auf S. 135 in Sage und Wirklichkeit. Dietrich von Bern und
die Nibelungen ist irrtümlicherweise von einer durch Gudruns
Mutter zur Disposition gestellten Bruderrache die Rede. Wie auch dort
dem nachfolgenden Kontext leicht entnommen werden kann, ist jedoch
Gattenrache für ihre Tochter das Kriterium für die eddische Grimhild.  3 
Nach Roswitha Wisniewski soll dieser Schreiber im
Soester Raum bzw. im Kloster Wedinghausen umfassendes Vorlagenmaterial
für die Thidrekssaga (= Zweite Quelle)
geliefert haben. Die erheblich früher entstandene
Reimdichtung Waltharius überliefert die
Nibelungenführer Gunther und Hagen als Franken;
dazu u.a. der Verfasser unter  4 
Die auch dazu scheinbar gerechtfertigte Folgerung, das Werk des
Chronisten/Historiografen (sofern hierzu kontextuell als Vorlage der
Thidrekssaga von maßgeblicher Bedeutung) gründete sich auf
die bevorzugte Verwendung von Heldenliedern, schließt
verschollene historische Quellen kategorisch aus und muss daher
zurückgewiesen werden.  5 
Die Streichung dieses ersten Aufeinandertreffens der oberdeutschen Kriemhild
mit Dietrich von Bern in der Vorlage und/oder durch die Feder des
altnorwegischen bzw. altisländischen Stoffvermittlers erscheint im
Gesamtkontext wenig aussichtsreich. Bereits aus den Schilderungen von Sigfrids
Erschlagung, später vor allem aus beiden Markgraf-Episoden und
schließlich der Hinrichtung der Gattenrächerin gehen derart
auffällige Übereinstimmungen hervor, dass hier eine
Vorstufe Patin gestanden haben dürfte. Insoweit müsste
diese Quelle der jeweiligen Erzählintention angepasst, also
entsprechend erweitert bzw. „individualisiert“ worden sein.  »Gering konnte dank
seiner gründlicheren Sprachkenntnis zahlreiche
Fehler Simrocks verbessern. Doch fehlte es ihm an dem dichterischen
Feingefühl seines Vorgängers. Darin ist Genzmer ihm
überlegen, und dieser hat von Simrock gelernt und manches von ihm
entlehnt. Genzmers Edda bedeutet gegenüber der Geringschen ein
Zurücklenken zu Simrock. Doch kann man nicht sagen, daß
Genzmer alles, was an Simrocks Arbeit dauernd wertvoll war,
übernommen und gerettet habe. Es klafft ein weiter Abstand
zwischen diesen beiden besten Nachdichtungen der Eddalieder, und das
ist nicht bloß der Abstand der Zeit. Was bei Genzmer – und in den
von Heusler beigesteuerten Einleitungen – anders lautet als bei
Simrock, darin äußert sich nicht durchweg der bedeutende
Fortschritt der Erkenntnis, der dazwischen liegt, sondern vielfach nur
eine andere Betrachtungsweise. Die Simrocksche Betrachtungsweise, die
weder bei Genzmer noch bei Gering wiederkehrt, ist keineswegs veraltet.«
       
       7 Man beachte u.a. die Datierungsspanne der von Ritter-Schaumburg aufgezeigten fränkischen Kammergräberfunde nahe dem heutigen Stadtzentrum von Soest. Man wird dem von Wisniewski identifizierten Soester „Chronisten“ nicht zum Vorwurf machen können, dass die im Jahr 1937 vom Soester Bürgermeister Heinrich ten Doornkaat Koolman [Soest die Stätte des Nibelungenunterganges?] aufgegriffenen Lokalfunde an Wagenladungen von Menschenknochen nicht auf Stimmigkeiten/Widersprüche zu den Schlachtdarstellungen untersucht und datiert wurden (vgl. Ritter-Schaumburg: Die Nibelungen zogen nordwärts, S. 197). Zur Identifikation der historischen Titelgestalt von Thidrekssaga und den altschwedischen Texten der Verfasser u. a. in Die Nibelungen – Dichtung und Wahrheit, Münster 2005 (S. 131): »Es mag hier (am Schauplatz des Niflungenuntergangs, Anm. d. Verf.) nun dem politisch vorausschauenden wie individuellen Geschick von Didrik/Theuderich überlassen geblieben sein, mit welchem persönlichen Status er sich nach seinen etlichen Exkursionen erneut in der ihm wohlbekannten sächsischen Reichsresidenz vorstellen musste, um als interessierter wie zunächst auffällig passiver Zeitzeuge direkt vor Ort ein wahres Bild über die militärische Stärke beider Parteien zu gewinnen; und tatsächlich überliefert uns die Thidrekssaga ja gerade hierzu ein analoges Bild!« Die Zuordnung eines »sächsischen« auf das migrationszeitliche Soest basiert auf einem grob rückprojizierten Oberbegriff. In seiner Frankengeschichte über das 6. Jahrhundert bezieht sich Gregor von Tours zu nördlichen und mittleren bis südlichen rechtsrheinischen Territorien lediglich auf die Sachsen, Thüringer, Suavi und von Teilen der Forschung mit „schwäbischen“ Völkern gleichgesetzte Alemannen. Auf das Jahr 556 oder 557, soweit erzählungschronologisch datierbar, vermerkt Gregor einen zerstörerischen Zug von plündernden „Saxones“, die aus ihrem Gebiet („exeuntesque de regione sua“) in das mit dem einstigen niederrheinischen Römerstützpunkt Deutz gleichgesetzte „Divitia“ eingefallen waren. Zum vorzitierten Passus und gegenüber den Darstellungen der Thidrekssaga und altschwedischen Überlieferung stellt sich die nicht unberechtigte Frage, ob ein geschickt vorgehender Thidrek–Didrik–Theuderich vielmehr selbst westrheinische Franken gegen ostrheinische Völkerstämme rund um den Soester Raum mobilisiert haben konnte. (Dagegen jedoch der laut den Handschriften unmittelbar nach der Soester Schlacht aufgegebene Exilstatus des Königs.) Zum seinerzeit exponierten kulturellen und insoweit auch wirtschaftlichen Stellenwert von Soest im 6. Jh. zitiert Ritter-Schaumburg den Frühgeschichtler und Archäologen August Stieren: »Der
Goldreichtum in den
älteren Gräbern von Soest fällt auf, insbesondere
gegenüber der Goldarmut in den bisher bekannten Friedhöfen
dieser Zeit in Westfalen.« [Ein neuer Friedhof in
fränkischer Zeit in: Germania 
XIV, Heft 3,  Jg.
1930, S. 174.]  
      und
führt S. 205 weiter aus: 
      »Der
Goldreichtum dieser Gräber
deutet auf eine zentrale Macht, die gewohnt war, aufwendig zu leben,
prächtig zu schenken und zu empfangen; eine Macht, die edelstes
Material auch aus fernen Ländern (Almandine) durch erste
Künstler verarbeiten ließ, oder kostbaren Schmuck erwarb,
trug und schenkte. Diese fürstliche Macht im frühen Soest,
von der wir geschichtlich keine Kunde haben, wird durch die Funde
bezeugt.« 
            Nach den fund- und
erzählungscharakteristischen
Kontexten wird man die Soester Überlieferungen der Thidrekssaga
mit den martialischen Feminismus glorifizierenden, zumindest
hochstilisierenden Atliliedern der Heldenedda zu vergleichen haben.
Doch vor allem deren älteste Überlieferung weis bereits den
Reichtum
der Schatzkammern Atlis gebührend herauszustellen.  |