| Oskar Klockhoff fand nach intertextuellen
Vergleichen der altschwedischen Überlieferung mit den
altnordischen/altnorwegischen/altisländischen Handschriften der
Thidrekssaga
125 Textstellen, die gegen die Stockholmer Membran(e)
(Mb) als unmittelbare
Vorlage der altschwedischen
Handschriften (Sv) sprechen sollen. Wie er mit seinem daraus
abgeleiteten
„Ausschlussbeweis“ evident machen will, darf für Sv und den
isländischen
A/B-Handschriften (Is) nur eine Quelle in Betracht gezogen werden, die
mit Mb
lediglich in gewissem Grad verwandt ist. 
                   Henrik Bertelsen hat in seiner Dissertation [1902]
die Handschriftenanalyse
von Klockhoff aufgegriffen und selbst einige Ergänzungen zu dessen
„Ausschlussbeweis“ geliefert.
Heinrich Hempel und Bengt Henning haben für Klockhoffs
Indizienkatalog
einerseits weitere Gemeinsamkeiten von Sv und Is gefunden, die Mb zwar
nicht hat, aber nichtsdestoweniger auf Zufälligkeiten beruhen
sollen,
lehnen aber grundsätzlich Klockhoff und Bertelsen ab. Allerdings
lässt Hempel [1924] seine offenbar vorgefasste Meinung durch
lediglich
beispielartige Beschäftigung mit den Untersuchungen seiner
Vorgänger
erkennen, und auch Henning [1970] beschränkt sich auf eine
oberflächliche
und daher wenig überzeugende Behandlung von Klockhoff und
Bertelsens
Ergänzungen.   
                  Zuletzt hat sich Hermann Reichert mit
Nachuntersuchungen von Klockhoff
und auf dessen Ansatz und Indizienkatalog bezogene Beiträge seiner
Kritiker befasst. Reichert gelangt zu der Folgerung, dass die von
ihnen „nicht behandelten Belege eine neue Deutung nötig
machen“ und die „einfache Aussage 'Sv ist eine
selbstständig
redigierende Abschrift von Mb und hat von der Th nur diese eine
Handschrift
Mb gekannt' falsch
wäre“
[1992:20].  
                  Diese Auffassung stützt sich nicht zuletzt
auf die
Anfangslakune in Mb. Hier
laufen die in Sv und Is bewahrten Vermittlungen bis zur
erzähllogischen
Diskrepanz
zu Dietrichs Hengst Falke derart konform, dass für den
vorliegenden
Quellenbereich
von einer gemeinsamen Vorlage für alle Redaktoren ausgegangen
werden
darf.   
                  Aus den von Hempel und Henning gelieferten
Zusatzbelegen ist Welands ausführlichstes
bzw. gleich zweifach begründetes Ausfluchtargument für den
Schwertertausch (Sv 67), das sonst
nur Is bewahrt, der sicher signifikanteste: Als ihn König Nidung
auffordert,
ihm das versprochene Schwert zu übergeben, antwortet Weland, dass
sich die Scheide des Schwertes in seiner Schmiede befände und
                  er
zuvor noch das Blut davon abwischen müsse. Sv hat hier: oc
skall a'n bloden aff strỷkas, Is entspricht mit  Þerra
sverdit, vgl. þerraðu
                  = trock(n)en. In Mbb105
(Partition nach Bertelsen, vgl. entsprechend Mbu68
                   n. Unger)
fehlt diese Ausflucht, und so ergänzt auch F. H. von der Hagen die
älteste
verfügbare Handschrift mit hier in Fettdruck gesetzter
Erweiterung:   
                  Nun verlangte der König, daß Wieland(1)
ihm das
Schwert  
                  geben solle, und wollte es selber mit sich
forttragen.  
                  Da sagte Wieland: „Herr, ich will nur noch die
Scheide   
                  holen, welche daheim in der Schmiede liegt, und
das  
                  Schwert abtrocknen, und werde es euch
sodann samt  
                  allem Zubehör überbringen.“   
                  Diese Identifizierung haben Hempel und Henning mit
nicht überzeugender
Argumentation heruntergespielt. Wenngleich die handschriftlichen
Angaben
aufgrund der vergleichsweise kürzeren und unvollständigen
Erwähnung von Is nicht gänzlich übereinstimmen, stellt
Hermann Reichert
fest, dass es sich in diesem Fall um ein Handlungselement
handelt, „auf
das Sv und Is kaum unabhängig von einander hätten kommen
können“.
Er folgert zu Recht: „Es kann also für Sv nicht irgendeine
Erzählung
von der Geschichte irgendeines Schwertes Pate gestanden haben, sondern
es muß eine Variante derselben Geschichte gewesen sein, die Is
zugrunde
lag, also wohl letztlich von *Th stammte.“ [1992:30]   
                  Die Detailuntersuchungen aller 125 Punkte von
Klockhoffs Indizienkatalog
haben Hermann Reichert zu 62 Streichungen veranlasst. Hierbei handelt
es
sich um Abweichungen teils orthografischer Natur, teils aber auch um
sprachstilistische
Merkmale, „wo Sv kaum hätte anders übersetzen können“.
Von den verbleibenden 63 Punkten haben nach Reichert 
                   
                    
                      
                        |   | 
                          | 
                       
                      
                        | 
                         5 
                         | 
                         Signifikanz 0, | 
                       
                      
                        | 
                         21–22 
                         | 
                         Signifikanz 1, | 
                       
                      
                        | 
                         27 
                         | 
                         Signifikanz 2, | 
                       
                      
                        | 
                         2–3 
                         | 
                         Signifikanz 3, | 
                       
                      
                        | 
                         7 
                         | 
                         Signifikanz 4, | 
                       
                      
                        |   | 
                          | 
                       
                    
                   
wobei er in einem Fall aus der Häufigkeit größter
Signifikanz, so Sv 162 mit Is gegen Mbb277
(siehe unten), drei nominale
Entsprechungen innerhalb eines Satzes zu einem Punkt
zusammenfasst.  
                  Er gliedert der niedrigsten Signifikanz jene
fünf
Fälle ein,
in denen zwar Mb eine Angabe in Form eines Wortes, einer Wortgruppe,
eines
Satzes oder Abschnitts macht, jedoch sowohl in Sv als auch Is derartige
Zusätze nicht enthalten sind. Reichert geht hier von
Kürzungen
in den altschwedischen und isländischen Handschriften aus. Weil
aber
vor allem die höheren Signifikanzstufen eine gemeinsame Quelle von
Mb, Is und Sv, zumindest aber einen (dann näher zu
erklärenden)
normativen Quellenbereich nahe legen, sollte auch hier eine zur
stofflichen
Verbreiterung neigende Mb nicht unberücksichtigt bleiben. So
besonders
anhand von Mbb302 (Mbu194),
wo Mb
überflüssigerweise
bereits bekannte genealogische Angaben nordischer
Gestaltenverwandtschaften
wiederholt, für Is und Sv (s. altschw. Kap. 180–181) jedoch
kein Anlass besteht, mitten in den Berichten von der Bertanga-Fahrt
abzuschweifen. Selbst Reichert konzediert in diesem Fall, dass „das
Auslassen eines ganzen Kapitels aber gegen die ȟbliche
Kürzungstechnik« von Sv [...] ist“.
Insoweit
darf der Stellenwert der geringsten Signifikanz erneut kritisch
hinterfragt
werden.   
                  Signifikanz 1 vertritt Fälle, „die, falls
sie
in großer
Zahl aufträten, nicht Zufall sein könnten, in geringerer Zahl
aber auch zu erwarten sind, wenn Sv Mb und nur Mb kannte“. Auf
diesem
Niveau wird ein „Korrekturwille“ von Sv und Is gegenüber einer
offensichtlich fehler- oder mangelhaften und nicht nur auf
Wortbildungen
beschränkten Ausdrucksweise von Mb erfasst. Unter dieser
Signifikanzstufe
fallen auch Passagen, bei denen Mb umständlich formuliert, Sv und
Is
den Kontext jedoch in ähnlich straffer Form liefern. Zur
Signifikanz 2
rechnet Reichert Fälle, die zum einen gemeinsame Fehler vorwiegend
orthografischer Art an jeweils gleicher Stelle von Sv und Is erkennen
lassen. Zum anderen werden hier auch einfache umgangssprachliche
Begriffe registriert,
die Sv und Is miteinander verbinden, dagegen Mb an gleicher Stelle eine
unschwer unterscheidbare Variante bringt – das Auftreten von
Häufungen
würde demnach Klockhoff stützen.   
                  Als Fallbeispiel von Signifikanz 3 nennt Reichert
den oben angesprochenen
Passus in Sv 67. Klassifizierungstypisch ist ein gemeinsames und
sinngemäß
verträgliches inhaltliches Additiv(2)
von Sv und Is gegenüber Mb. Allerdings müssen auch
Alternativen
zu Klockhoff berücksichtigt werden, so zu den handschriftlichen
Ausdrucksweisen
ein übernommenes spezielles Vokabular aus importierter und
offensichtlich
fremdsprachlicher Quelle. Reichert nennt als Beispiel die auffallend
spezifischen
Schreibweisen Ostacia und Ostancia.   
                  Sein Originalton zur Signifikanzstufe 4:  
                  „Is und Sv haben gemeinsam eine Textvariante
gegen Mb, die so auffällig
ist, daß man sich auch für den Einzelfall mit der Annahme
von Zufall
nicht beruhigen kann, und es kann auch keine andere
Erklärungsmöglichkeit
wahrscheinlich gemacht werden, als das Sv seinen Text aus einer uns
verlorenen
Handschrift der Th hat ... Der Unterschied zwischen 'Signifikanz 3' und
'Signifikanz 4' besteht darin, daß der Stoff in derselben
geprägten
Wortgestalt auf Island und in Schweden zugänglich gewesen sein
muß ...“   
                  Die von Hermann Reichert aufgegriffenen Fälle
dieser höchsten
Signifikanzstufe sind:  
                  Widekes misslaunige Reaktion auf Dietrichs
Schenkung von Nagelring an
Heime:   
Sv 112: nw ær nagellring illa niderkomen
                   
Is: Nu er Naglhring illa nidur komit  
Mbb196 (Mbu108): Vist
ertv naglring illa cominn  
                  Wortsequenzmuster der Sitzfolge bei König
Dietrichs Gastmahl:  
Sv 162: detzleff danske stolte fasholt sintram aff venedi. wildefer
                   
Is: Þettleifur Danski Fasalld stollzi Sintram af Fenidi.
Willifer  
Mbb277 (Mbu171): Þettleifr
oc Fasolld. Sistram oc
Villdifer  
                  Heldeneinführung – Gunnars Beschreibung:  
Sv 173: Gunnar konung haffde krusat har. krusat skæg
oc hvit. (3)  
Is A (B hier wenig abweichend): Gunnar kongur var madur lios hær
                  og
hrokkinn hær
breidleitur liost skegg  
Mbb289 (Mbu183): GvnnaR
konungr var leos haR oc
breiðleitr. leost skeG
                  (4)  
Nur Sv und Is überliefern ihn mit krausem Haar, das auch die
Mágus
saga angibt.  
                  Isung-Kämpfe – Am(e)lung gegen den 6.
Königssohn:  
Sv 197: Sigord swen haffde skikkat mot Amlunge. then wekaste
konungs søn. tý at Amlunge war hans frænde.
                   
Is A berichtet wie Mb, hat aber wie Sv den Zusatz, dass der (auf
Sigfrids
Betreiben) gegen Amlung angetretene Königssohn der schwächste
war: war siaa kongs son vsterkastur  
Mbb311 (Mbu212): oc hævir
þeira viðskipti sua
farit
sem firir hafði ætlat Sigurðr suein.  
                  Isung-Kämpfe – Detzleff gegen den 9.
Königssohn:  
Sv 200: tha sagde detzleff till hanum. iak skall nw dræpa
tik vtan tw løser hagen min gode wen / konnungens søn
sagdis thz gerna wilia gøra. 
Is A: seigist Þettleifur skulu binnda hann edur drepa
nema hann laati lausann Hœgna og þat vill kongsson giarna.
                   
Is B: qvedst Þiettleifur mundi binda hann ef ei leiser hann
sig þvi, ad giefa gang Høgna og leisa hann, og þad
vill
hann
giarnann  
Mbb314 (Mbu215): kvæz
                   / munu
binda hann ef hann
vill æigi lœysa
sic sva at gefa gang hogna oc lœysa hann.  
Nach Sv droht Detzleff seinem Gegner, ihn zu erschlagen, wenn er Hagen
nicht auslöst.  
Is A lässt Detzleff von binden und erschlagen
sprechen,
in Is B
und Mb ist nur von binden die Rede. Als weitere hervorstechende
Besonderheit
liefern nur Sv und Is A die explizite Einwilligung des
Königssohns.  
   
                  Mit Ausnahme des ersten der oben aufgeführten
Fälle höchster
Signifikanz beziehen sich alle übrigen auf König Dietrichs
Gastmahl
und die Isung-Kämpfe, deren Überlieferungen der
dritte Redaktor
der Stockholmer Handschrift redigiert hat. Man wird Hermann Reichert
zustimmen
können, dass diese Berichte einer (bereits verschriftlichten)
Tradition
zugeschrieben werden dürfen, „die auch unabhängig von
ihrem
Eintritt in die Th nach Schweden gelangte und so Sv schon bekannt war
...“
[1992:31]. Dieses Postulat erscheint insofern berechtigt, als eine
andernfalls stark gestörte Textkohärenz von *Th auch
unter
Berücksichtigung der redaktionellen Überarbeitung von Mb2
durch Mb3 nicht plausibel erscheint.   
                  Zu den auffälligsten Abweichungen nur von Sv
zählt
die Mitgliedschaft des „Gernholt“ im Heldenkreis um König
Dietrich.
Wenn durch
intertextuelle Erschließungen aus Thidrekssaga und Nibelungenlied
z.B.
nach
L. Polak
[1913], W. Krogmann [1957] und R. Wisniewski [1961] dieser
Niflungenbruder
mit hoher Wahrscheinlichkeit niederdeutscher Herkunft ist, darf
dessen altschwedisch gewürdigter Stellenwert als hierzu weiteres
und
insbesondere von diesen Forschungsbeiträgen unabhängiges
Indiz
gewertet werden. Sein aus eddischer Tradition des ,,Guthorm“
konvertierter Auftritt
ließe sich mit integrativer historiografischer
Gestaltenkonzeption
erklären.   
                  Darüber hinaus kann zu den altschwedischen
Berichten vom Gastmahl,
der Heldenschau und der Isung-Kämpfe hier nicht weiter
über
sichere
Anteile gestalterischer Eigenleistung von Sv ausgesagt werden.  
   
                  Eine ergänzende Untersuchung von Hermann
Reichert,
die über
Klockhoffs Ansatz hinausgeht, befasst sich mit appositioneller
Statistik
über Þettleifr, den die Manuskripte von Mb
teils
mit, teils ohne seinen Beinamen danski führen. Reichert
kommt
zu dem Ergebnis, dass die Berichte über den dänischen
Kämpen
mit dem Redaktionswechsel von Mb2 zu Mb3 nichts zu tun haben
können
und daher – „wie aus der hohen Übereinstimmung von Is mit
Mb hervorgeht“– der ursprünglichen bzw. gemeinsamen Vorlage
entstammen
müssen. Dieser textschematischen Charakteristik entspricht Sv
jedoch
nicht, und angesichts dieses Zusammenhangs wird man einen
berichtspezifischen
Kürzungswillen von Sv gegenüber Mb und den hier ohnehin
erkennbar
weniger betroffenen Is nicht unbedingt ableiten können. Vielmehr
wird
der Sv-Redaktor, der in seinen ersten 51 Detzleff-Nennungen nie
dessen nationales Attribut hinzusetzte, zu den Berichten des
Dänenhelden
entweder einer anderen Quelle gefolgt sein oder, wie Reichert mit
seiner
Auswertung zur Disposition stellt, anhand seiner Vorlage die Apposition
frei gesetzt haben [1992:16]. Noch zu beachten ist vor allem der
Zusammenhang,
dass Is ebenso wie Sv eine auffallend knappe Fassung von den
Jugendabenteuern des Dänenhelden
liefern!   
                  Hermann Reichert resümiert aus seinen
Untersuchungen:   
                  „Eine Teilquelle der Th, die die Grenzen
der späteren
Redaktionen Mb2 und Mb3
überschreitet,
hatte ihn anscheinend immer ohne danski geschrieben. Eine
andere
Quelle diente *Th für den letzten Teil der Detlevsage (seine
Heirat
und schließlich sein Tod im Wilzenland), da dort danski
in
einer Bemerkung des Redaktors *Th, die auf Ermenriks Gastmahl
zurückverweist,
also auf den ersten Teil der Detlevsage, in dem das danski,
wenn
man die wohl redaktionellen Überschriften abrechnet,
überhaupt
nicht vorkommt. Dem Sprachgebrauch des Redaktors *Th scheint also die
Form
mit danski besser entsprochen zu haben. Wenn er sie trotzdem
auf
lange Strecken nicht setzte, weil sie eben nicht in der entsprechenden
Teilquelle stand, darf vermutet werden, daß die Teilquellen der
Th
oft sehr wörtlich kopiert wurden, wir also *Th in mancher Hinsicht
besser einen Redaktor als einen Autor der Th nennen. Die Th wäre
dann
ein 'Werk ohne Autor'. Wie Rückverweise [...] zeigen,
rechnete
*Th damit, daß sein Werk der Reihe nach (vor-)gelesen
würde, nicht vor ausschnittsweise wechselndem Publikum.“ 
                   
                  Er determiniert für *Th, das kapitale Werk
als
Quelle der untersuchten Manuskripte
[a.a.O.,
S. 33–34]:   
                  „Es soll keine Sammlung von Erzählungen
darstellen, sondern
ein in Abschnitte untergliedertes Großwerk.“   
                  Zum traditionsgeschichtlichen Umfeld der
vorliegenden Handschriften
die Einschätzung von Heinrich Beck ergänzend [a.a.O., S.
35]:   
                  „In der Diskussion, ob die Zusammenfügung
von
Einzelerzählungen
zum Großwerk eher in Niederdeutschland (Soest?) oder in Norwegen
denkbar ist, hat sich zuletzt Heinrich Beck sehr vorsichtig
geäußert,
der (wegen der sächsisch dänischen Erzählintention und
Perspektive)
die Th thematisch im sächsisch-dänischen Raum lokalisiert, in
der Erzähltechnik aber Anknüpfung an altnordische Beispiele
akzeptiert
...“   
                  Die Frage, ob für *Th überhaupt eine Zusammenfügung
von Einzelerzählungen zwingend in Anspruch genommen werden
darf,
kann jedoch weder mit einem mehrköpfigen Schreibkollegium von Mb
noch
mit ihrem gestaltenchronologisch und -genealogisch
durchaus weitgehend
stimmigen, durch Mb3 aber z. T. redigiertes und scheinbar neu
akquiriertes
Quellenmaterial stereotypisiert werden. Die Verteilung der
signifikanten
Gemeinsamkeiten von Is und Sv gegenüber Mb (siehe Anlagendiagramm
unten) deutet vielmehr auf ein Großwerk als Vorlage dieser
Handschriften
hin.   
                  Die an Klockhoffs Ansatz anknüpfenden
Untersuchungen und die hierzu
von Hermann Reichert gelieferte Þettleifr-Statistik
lassen sich
als schlagkräftige Indizien für das nicht erhaltene
Großwerk
*Th werten. Nach den hier angeschnittenen textstatistischen
Zusammenhängen
müssen die Gründe für die redaktionellen Umbrüche
und
erkennbaren gestalterischen Maßnahmen in und von Mb
offensichtlich bei
ihr selbst gesucht werden. Insoweit kann die linguistische und
stilistische
Eigenschaft von *Th jedoch nicht so restriktiv eingeschnürt
werden,
dass sie nicht als Ganzes nach Norwegen gelangt sein darf.   
                  Als wichtige Zwischenerkenntnis bleibt
festzuhalten, dass Is und Sv
wegen gemeinsamer inhaltlicher Zusatzinformationen nicht einzig aus Mb,
so der Stockholmer Handschrift, entnommen haben können.
Interessanterweise
darf *Th unter der berechtigt erscheinenden Voraussetzung, dass sie zum
einen chronistisch-historiografisch und zum anderen nüchterner als
Mb berichtet – somit vergleichbar und insgesamt weniger
Einschränkungen
für Is –, sehr wohl die Quelle repräsentieren, die Heinz
Ritter-Schaumburg
als *Sv und somit Hauptvorlage der altschwedischen Handschriften
benannt
hat. Zugleich muss darauf hingewiesen werden, dass dem Sv-Redaktor den
sicher umsichtigsten Umgang mit seinem Quellenmaterial eingeräumt
werden muss. Hierzu zählt vor allem sein erzähllogisches
Richtigstellen
durch „Vor- und Zurückblättern“ in den Vorlagen. Es
lässt
sich allerdings nicht negieren, dass zum altschwedischen Umfeld zwar
von
mehreren Quellen (darunter Mb, vgl. Verfasser 2007:55), aber auch von
hierarchischer
Vorlagenordnung und einer selbst von Ritter-Schaumburg hervorgehobenen
gestalterischen Freiheit ausgegangen werden muss.(5)
In einen quellenspezifischen, zumindest noch zu klärenden
rezeptionellen
Zusammenhang
fallen Gestaltennamen von Sv, die nicht aus dem Norwegischen
übernommen
sein
können. Wie der Verfasser außerdem darauf hingewiesen hat,
möchte
Sv einen milderen hunischen Landesvater vermitteln.(6)
                   
                  Darf von einem „Redaktor“ im Sinne seines
literarischen Titels noch
die Rede sein, wenn er den Quellenstoff so weit verändert, dass
sein
Werk neue Sinndeutung rechtfertigt? Ein Vergleich der Stockholmer
Handschrift
– deren Einfluss von Mb3 zu Recht für einigen Forschungs- und
Diskussionsstoff
sorgte – mit den isländischen und altschwedischen
Überlieferungen
zeigt, dass zwar chronologische Verzerrungen von Gestalten-Vitae und
damit verbundenen Handlungsabläufen zu konstatieren sind, jedoch
abschnittsweise vorliegende Kerninhalte – soweit erzähllogisch
erkannte
Mängel ausgeklammert werden dürfen – kaum betroffen sind. Man
vergleiche aber auch und vor allem die edierungstransitiven
Auswirkungen
von Mb2 nach Mb3 mit den Freiheitsgraden des Redaktors von Is A!(7)
                   
                  Wenn zwei oder mehrere auf eine gemeinsame
Überlieferung zurückgreifende
mittelalterliche Handschriften ihren Vermittlungsstoff in
unterschiedlicher
Breite darbieten, dann wird man kritisch zu hinterfragen und umsichtig
zu prüfen haben, ob und inwieweit nach allgemeinen
literaturgeschichtlichen
Beobachtungen und besonderen quellenspezifischen Umfeldkriterien aus
mediävaler
Verarbeitung von Heldenepik, Historiografien und Chroniken hier das
Vorhaben
von Stoffkürzung in der umfänglich kürzeren Handschrift
evident gemacht werden darf. Dieser Zusammenhang hat in unserem Fall
Auswirkungen
auf Klockhoffs „Ausschlussbeweis“ und die vernichtenden Urteile seiner
Kritiker.   
                  Ritter-Schaumburg hat die ausdruckstilistischen,
hauptsächlich
„emotionalen“ Unterschiede zwischen Mb und Sv als redaktionelle
Aufschwellungen
der altnorwegischen Festlandhandschrift eingestuft. Wenn er
andererseits
mit Beispielen aufzeigt, dass Sv den Bericht über Hagens Herkunft
noch
textmelodisch erweitert, zu Sigfrids Begegnung mit Regen jenes
schicksalsträchtige
Blatt auf der Schulter des Helden hinzufügt, dann möchte auch
der
altschwedische Redaktor seine Vorlage bzw. seinen Quellenbereich weiter
ausgestalten und
diesen wohl kaum kürzen. Hier sind zum einen eher seltene
Ausnahmefälle
zu konzedieren, zum anderen fordert Ritter-Schaumburg anhand seiner
überwiegend
synoptischen Indizien eine altschwedische Stoffvermittlung, aus der die
stilistische Orientierung ihrer nach linguistischen Merkmalen offenbar
dänischen Hauptquelle durchscheint. Wohl insoweit ordnet er die in
der Rolle des Gislher zu identifizierende Gestalt Gyntar
dieser Vorlage und eher nicht der schöpferischen Eigenleistung des
Redaktors
zu.   
   
                  Fazit  
                  Ein Konsens über die
Handschriftenabhängigkeiten
von Mb, Is
und Sv zu deren Vorlage(n) scheint vom Standpunkt
Ritter-Schaumburgs
in der Form greifbar, dass teils unter Ausschluss, teils unter
Berücksichtigung
von Nebenquellen *Th nicht oder nicht wesentlich über den Umfang
von
Sv berichtet haben wird. Die in den verfügbaren Handschriften
feststellbaren Divergenzen können zumeist auf wenig erhebliche (z.
T.
phlegmatische) Auslassungen ihrer an überschaubaren stilistischen
Varianten und (zum gemeinsamen inhaltlichen Überlieferungskontext)
eher marginalen interpretativen Einlässen interessierten
Scriptoren
zurückgeführt werden. Gleichwohl darf die konzeptionelle
Reorganisation von Mb3 dabei nicht übersehen werden.(8)
Besonders zu denken gibt aber auch Is A, die auffälligerweise mit
ihrem
Niflungenbericht z. T. ältere Vermittlungswerte als die hier
bereits
überarbeitende, jedoch eindeutig früher abgefasste
Stockholmer
Festlandhandschrift vertritt. Auch dieser Zusammenhang ist mit einer
verschollenen archaischen Vorlage und zweifellos vorhandenen
Spielräumen
zu deren Übertragung vereinbar. Eine Mahnung, dennoch im Detail
dem
gestaltengenealogischen Kontext eines offensichtlich importierten
Quellenberichts
zu folgen, mag also schon der dritte Redaktor der Festlandhandschrift
anhand
der Darstellungen seines Vorgängers Mb2 hinterlassen haben.  
                  Bestimmte textlinguistische Indizien, so vor allem
aus den Bereichen Geografie,
Topologie und Militaria, harmonieren wiederum mit einer
übersetzten und
somit weiter an Wahrscheinlichkeit gewinnenden Großquelle als
(un)mittelbare
Vorlage der greifbaren Handschriften, die nicht nur Roswitha Wisniewski
und Heinz
Ritter-Schaumburg gegenüber einer eher abzulehnenden altnordischen
Komposition u./o. Kompilation nach „deutscher Oraltradition“
postulieren. Zugleich bleibt aber auch
darauf hinzuweisen, dass Hermann Reichert mit seiner aus alternativen
Transmissionsmodellen herausragenden Filterung und Betonung von *Th als
„Großwerk“ – so aus seiner eingehenden Nachverfolgung des
Klockhoff'schen
Ausschlussbeweises – der kritischen Thidrekssaga-Forschung neue Impulse
verliehen
hat.  
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